Verteidigungsminister Guttenberg prüft Modelle für Reform der Streitkräfte

Berlin. Eine Aussetzung der Wehrpflicht wird immer wahrscheinlicher. Das Bundesverteidigungsministerium hat jetzt mehrere Rechenmodelle entwickelt, die eine Reduzierung der Truppenstärke um 50 000 bis 100 000 Mann vorsehen. In zwei dieser Modelle sind keine Wehrpflichtigen mehr vorgesehen.

Nach einem Bericht der "Süddeutschen Zeitung" hat sich die Spitze des Verteidigungsministeriums bereits am Montag auf die verschiedenen Reformmodelle verständigt. An dem mehrstündigen Treffen hätten neben Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) auch Generalinspekteur Volker Wieker, die Staatssekretäre, die Inspekteure der Teilstreitkräfte und mehrere hohe Beamten teilgenommen. Nach Informationen des Hamburger Abendblatts informierte Guttenberg gestern auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) über die Pläne.

Im Gespräch sind demnach drei Hauptmodelle und möglicherweise zwei leicht abgewandelte Zwischenmodelle. Beim ersten Szenario wird die Zahl der Soldaten von derzeit 252 000 auf 200 000 reduziert. Die Wehrpflicht bliebe dann erhalten, wenn auch vermutlich in einem kleineren Umfang. Ein zweites Modell geht von 170 000 Soldaten aus, dabei sind hier Elemente einer Freiwilligenarmee vorgesehen, aber keine Wehrpflicht mehr. Das dritte Modell rechnet mit nur 150 000 Soldaten. Hier sind keine Wehrpflicht und keine Freiwilligen-Elemente vorgesehen - die Bundeswehr bestünde dann nur noch aus Berufs- und Zeitsoldaten.

"Wie angekündigt und im Kabinett beauftragt, werden jetzt verschiedene Modelle mit ihren finanziellen Implikationen durchgerechnet", sagte ein Sprecher des Bundesverteidigungsministers dem Abendblatt. "Dabei gibt es keine Denkverbote." Anfang September werde man die Szenarien dem Kabinett vorstellen.

Die verteidigungspolitische Sprecherin der FDP-Bundestagsfraktion, Elke Hoff, begrüßte die geplante Verkleinerung. "In den Modellen, die jetzt in der Diskussion sind, finden sich viele Vorschläge der FDP wieder", sagte die FDP-Politikerin dem Abendblatt. Dazu gehörten vor allem die Aussetzung der Wehrpflicht sowie das Kurzzeit-Diener-Modell, das zur Nachwuchsgewinnung gedacht ist und eine Dienstzeit von zwölf bis 24 Monaten für Freiwillige vorsieht. "Die bekannt gewordenen Kürzungspläne von Herrn zu Guttenberg gehen zum Teil jedoch noch über die von der FDP avisierte Truppenstärke von 180 000 bis 200 000 hinaus", sagte Hoff. Daran könne man die ganze Dramatik der Sparzwänge erkennen.

Unterstützung kam auch von den Grünen. "Wir begrüßen es, dass das Verteidigungsministerium und die Strukturkommission nun tatsächlich die Aussetzung der Wehrpflicht ernsthaft prüfen", sagte Agnieszka Malczak, Sprecherin für Abrüstungspolitik der Grünen-Bundestagsfraktion. Die Union müsse nun endlich einsehen, dass sich die Zeiten geändert hätten, und den Modellen zur Aussetzung der Wehrpflicht folgen. "Die Wehrpflicht ist sicherheitspolitisch schon lange nicht mehr begründbar." Gefragt sei vielmehr eine moderne und professionelle Freiwilligenarmee.

In seiner eigenen Partei war Guttenberg mit Gedankenspielen zur Abschaffung der Wehrpflicht auf Widerstand gestoßen. Die CSU will den Pflichtdienst zumindest im Grundsatz beibehalten. Zudem gibt es Zweifel, ob für eine völlige Abschaffung nicht eine Grundgesetzänderung nötig wäre, für die die Regierung sich dann mit der Opposition verständigen müsste.

Weil die Frage für die Union so sensibel ist, lassen CDU und CSU in den kommenden Monaten Parteitage über die Wehrpflicht entscheiden. Dagegen dringt FDP-Chef Guido Westerwelle auf eine rasche Umwandlung der Bundeswehr in eine Freiwilligenarmee. Er halte ein Ende der Wehrpflicht in dieser Wahlperiode für möglich, sagte er kürzlich. Guttenberg erklärte vor einigen Tagen, er wolle den geplanten Umbau der Bundeswehr nicht überstürzen. Um soziale Härten abzufedern, werde man sich sechs bis acht Jahre Zeit nehmen.

Das Bundeskabinett hatte auf seiner Sparklausur im Juni eine Reduzierung der Bundeswehr um bis zu 40 000 Zeit- und Berufssoldaten beschlossen. Guttenberg hatte bereits deutlich gemacht, dass die Wehrpflicht unter diesen Umständen nicht mehr aufrechterhalten werden könnte. Ein Grund ist, dass es dann an Ausbildern für die Wehrpflichtigen mangeln würde. Bei einer Umsetzung der Vorgabe in vollem Umfang und einer Abschaffung der Wehrpflicht hätte die Bundeswehr noch 150 000 Soldaten. Dem Abendblatt hatte Guttenberg gesagt, es könne auch eine Chance für die Bundeswehr darin liegen, die Sparvorgaben mit einer Strukturreform zu verbinden. "Ein 'Weiter so' bei der Bundeswehr würde uns bis zum Jahr 2014 einen unabweisbaren Mehrbedarf von 5,6 Milliarden Euro bescheren", sagte Guttenberg. "Wir fragen jetzt: Was brauchen wir denn mindestens an Personal, an Infrastruktur, an Ausrüstung und auch an finanziellen Mitteln, um das Aufgabenspektrum erfüllen zu können und um bündnisfähig bleiben zu können." Gleichzeitig müsse man den Wehrdienst "kreativer angehen", weil Gerichte sonst die Wehrpflicht kippen könnten.

Mit einer Aussetzung der Wehrpflicht könnte nach früheren Schätzungen des Ministeriums jährlich mehr als eine Milliarde Euro gespart werden. Nach Angaben Guttenbergs ergebe die Aussetzung aber keine sofortigen Einsparungen, da man die Bundeswehr zunächst attraktiver machen und besser ausrüsten müsse.