Politiker gratulieren. Neuwahl des Präsidenten im November

Frankfurt/Main. Der Zentralrat der Juden in Deutschland feiert heute sein 60. Jubiläum. Gewürdigt wird der Gründungstag aber erst im November dieses Jahres - der Verband ist nicht in Feierlaune. Denn öffentliche Aufmerksamkeit wird im November ein anderes Ereignis auf sich ziehen: die Wahl eines neuen Präsidenten. Charlotte Knobloch, die letzte Holocaust-Überlebende an der Spitze des Verbandes, tritt nach heftigen internen Querelen ab. Auf Knoblochs Nachfolger kommen schwierige Aufgaben zu, wie etwa die Auseinandersetzung mit der umstrittenen Politik Israels sowie dem Verhältnis zwischen Juden und Muslimen in Deutschland.

Der Zentralrat sucht nach einer neuen Rolle. "Die Öffentlichkeit nimmt uns oft nur in zwei Rollen wahr: als traurige Opfer von früher oder als lästige Dauermahner von heute", sagte Vizepräsident Dieter Graumann. Aus dieser "Dauermeckerecke" wolle er heraus, so der aussichtsreichste Kandidat für die Knobloch-Nachfolge. Die Erinnerung an den Holocaust werde zwar im Zentrum bleiben, es solle aber das Judentum stärker als politische und religiöse Kraftquelle thematisiert werden.

Führende Unionspolitiker gratulierten dem Zentralrat und würdigten dessen Beitrag zur Integration. "Wir sind froh und dankbar, dass es nach der furchtbaren Schreckenszeit des Nationalsozialismus wieder ein kraftvolles jüdisches Leben in Bayern und Deutschland gibt", sagte der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU). Auch CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe dankte dem Verband für dessen unermüdlichen Einsatz gegen jegliche Form von Diskriminierung. Dies hätte zu einer offenen, toleranten Gesellschaft beigetragen, sagte Gröhe.

Bei seiner Gründung am 19. Juli 1950 in Frankfurt vertrat der Zentralrat rund 15 000 Juden in Deutschland - die Übriggebliebenen. Mittlerweile zählt die jüdische Gemeinschaft rund 105 000 Mitglieder. Der neue Dachverband stand 1950 vor einer großen Herausforderung. Ausgerechnet im Land der Täter eine Interessenvertretung der jüdischen Bevölkerung zu gründen galt nicht als selbstverständlich.

Erst der Untergang der Sowjetunion 1990 hat das Judentum in Deutschland nachhaltig verändert. Durch die Zuwanderung aus dem Osten stieg die Zahl der Juden auf mehr als das Vierfache an. Schnell wurde der Dachverband zum zentralen Organ einer völlig veränderten jüdischen Bevölkerung. Heute stehe der Zentralrat als Spitzenorganisation für "eine lebhafte und mit Potenzial und Perspektive für die Zukunft ausgestattete Gemeinschaft", sagte Generalsekretär Stephan Kramer.