Berlin. Heute Mittag fliegt die Kanzlerin nach Jekaterinburg. Dienstlich. Zum Petersburger Dialog, der seit zehn Jahren die deutsch-russischen Beziehungen befördern soll. Und morgen geht es dann schon nach China weiter, wo Angela Merkel Ministerpräsident Wen Jiabao und Staatspräsident Hu Jintao treffen wird. Mit der Kanzlerin reisen rund 25 Wirtschaftsvertreter, darunter die Vorstandschefs von Siemens, VW und EADS. In Russland werden milliardenschwere Vertragsabschlüsse erwartet, darunter mit Siemens über die Lieferung von 220 Regionalzügen im Wert von 2,2 Milliarden Euro. In China will Daimler ein Joint Venture über Lastwagenproduktion im Wert von 800 Millionen Euro abschließen.

Man muss kein großer Hellseher sein, um sich die gegenwärtige Gemütslage der Kanzlerin vorstellen zu können. Sie wird es genießen, den schwarz-gelben Murks mal für fünf Tage hinter sich zu lassen. Stattdessen wird sie aber Russlands PräsidentenDmitri Medwedew auf den bis heute skandalöserweise unaufgeklärten Mord an der Menschenrechtlerin Natalja Estemirowa ansprechen. Das hat Angela Merkel angekündigt.

Die scharfe Mahnung von Grünen-Chefin Claudia Roth, sie solle in China "nicht nur auf möglichen Profit schauen, sondern auch den rechtsstaatlichen Dialog voranbringen", ließ die Kanzlerin allerdings kommentarlos verhallen. Genau das wird sie - jedenfalls öffentlich - nicht tun. Nicht angesichts der Mühe, die sich die Chinesen mit ihrem Besuchsprogramm gegeben haben. Immerhin wird Wen die deutsche Regierungschefin eigens nach Xi'An begleiten, wo sie sich die hochberühmte Terrakotta-Armee anschauen will. Am Sonntag geht es dann nach einem Abstecher über Kasachstan zurück nach Berlin. Wie stöhnte schon Goethe? "Das Fortreisen ist eine recht gute Sache, wenn nur das Wiederkommen nicht wäre."

Jedenfalls kommt danach noch eine letzte Arbeitswoche, bevor sich Angela Merkel via Bayreuth - am 25. Juli ist "Lohengrin"-Premiere - in die Sommerferien verabschieden kann. Die letzte Kabinettssitzung steht am 21. Juli auf dem Terminplan. Letzte Gelegenheit, den Kollegen noch mal zu sagen, dass der Legislaturauftakt, vorsichtig formuliert, wohl etwas suboptimal gewesen ist.

Gestern ging es in Berlin aus Sicht der Kanzlerin übrigens schon deutlich erfreulicher zu als in den zurückliegenden Wochen. Erst nahm Angela Merkel in Berlin die Auszeichnung "Europäerin des Jahres" der dänischen Europabewegung entgegen - in der Laudatio wurden Merkels "Ausdauer und Fähigkeit, zu verantwortungsvollen europäischen Lösungen zu kommen", gerühmt -, und am Nachmittag flog die Kanzlerin dann nach Aachen, um Deutschlands bedeutendstes Reitturnier zu eröffnen.

Möglicherweise ist sie beim CHIO auch Thomas Müller wieder begegnet. Wider Erwarten wollte es sich der Torschützenkönig der Fußballweltmeisterschaft nämlich trotz der zurückliegenden südafrikanischen Strapazen nicht nehmen lassen, in die Aachener Soers, dem Austragungsort des CHIO, zu kommen.