Das Verteidigungsministerium erwägt milliardenschwere Einsparungen bei Rüstungsprojekten und will Panzer, Schiffe und Hubschrauber stilllegen

Berlin. Angesichts der Sparvorgaben für die öffentlichen Haushalte soll es drastische Kürzungen bei der Bundeswehr geben. Das Verteidigungsministerium erwägt einem internen Planungspapier zufolge, Rüstungsprojekte radikal zusammenzustreichen. Die Planungsexperten der Bundeswehr rechnen damit, dadurch langfristig insgesamt rund 9,3 Milliarden Euro einsparen zu können. So empfehlen die Verfasser des Papiers, eine kleiner ausfallende Bestellung des Transportflugzeugs A400M zu prüfen.

Beim NH-90-Hubschrauber sollen statt der geplanten 122 nur noch 80 gekauft, von den vorgesehenen 80 "Tiger"-Kampfhubschraubern nur noch 40 beschafft werden. Bei beiden Hubschraubern war in den letzten Monaten von technischen Schwierigkeiten berichtet worden. So sind die NH-90-Hubschrauber, die in der ursprünglichen Bestellmenge 4,6 Milliarden Euro kosten sollten, laut einem Bericht der "Bild"-Zeitung vom Februar nur bedingt für einen Kampfeinsatz verwendbar. In dem 23-seitigen Dokument mit dem Titel "Priorisierung Materialinvestitionen - Handlungsempfehlungen" wird dem Verteidigungsminister auch geraten, auf die letzten 37 noch auszuliefernden Eurofighter zu verzichten.

Eine weitere Empfehlung lautet, sofort 15 Transall-Transportflugzeuge stillzulegen und "schnellstmöglich" die "Tornado"-Flotte von 185 auf 85 zu reduzieren. Außerdem soll die Marine mittel- bis langfristig acht Fregatten, zehn Schnellboote und 21 "Sea King"-Hubschrauber außer Dienst stellen sowie nur noch drei statt vier neue Fregatten der Klasse 125 bestellen. Das umstrittene Luftabwehrsystem MEADS werde allerdings nicht gestrichen. Auch die Bestellung des Panzers "Puma" könnte von 400 auf 280 Stück schrumpfen.

Werden die Vorschläge umgesetzt, werde die Bundeswehr ihren Charakter erheblich verändern, betonen die Autoren. Ausdrücklich heißt es in dem Papier, dass die Empfehlungen "einen signifikanten Eingriff in das Fähigkeitsprofil vorsehen, um den Bedingungen begrenzter finanzieller Ressourcen gerecht zu werden". Zugleich wird betont, dass die Einschnitte am Ende wohl noch dramatischer ausfallen werden. "Die vorgeschlagenen Empfehlungen können vor dem Hintergrund geänderter Rahmenbedingungen nur ein erster Schritt sein." Im Ministerium spricht man vom "Beginn der Grausamkeiten."

Der verteidigungspolitische Sprecher der SPD, Rainer Arnold, kritisierte die Kürzungspläne. Dem Hamburger Abendblatt sagte er: "Es mögen sinnhafte Punkte in dem Papier enthalten sein. Trotzdem ist das Konzept veraltet, weil es noch von einer Truppenstärke von 250 000 Soldaten ausgeht. So bringt man nur Verunsicherung in die Truppe." Vor gut zwei Wochen hatte Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) erklärt, sein Haus lasse eine Verkleinerung der Armee um 100 000 Soldaten durchrechnen.

Auch der Grünen-Verteidigungsexperte Omid Nouripour kritisierte die Pläne. "Beim A400M wollen wir das Elend lieber ganz beenden und aus der Geiselhaft von EADS entkommen", sagte er. Statt "Wasserstandsmeldungen" bei den Kürzungen sei eine generelle Strukturdebatte nötig. "Eine Armee von 250 000 Soldaten braucht eine andere Anzahl gepanzerter Fahrzeuge als eine mit 150 000 Soldaten." Nouripour forderte eine "Veränderung der Beschaffungsphilosophie", in der es eine geringere Rolle spiele, ob der Hersteller aus Deutschland stamme. Der Bundeswehrverband äußerte sich zurückhaltend. "Wir werten das erst mal aus - wie die Preußen, die nicht so schnell schießen", sagte Sprecher Wilfried Stolze. Nach einem "ersten Überfliegen" liege es jedoch auf der Hand, dass viele Altsysteme bald aussortiert werden müssten.

Das Verteidigungsministerium betonte, es gebe noch keine Entscheidungen über Einsparungen. "Die Papiere, über die heute in den Medien berichtet wird, sind die Grundlage für anstehende Diskussionen im Ministerium und im Parlament. Der Minister behält sich vor, die genannten Papiere abzuändern oder zu ergänzen." Zudem könnten sich in den neuen Strukturen "auch Chancen für die Industrie ergeben".

Hintergrund der Sparanstrengungen ist die neue Schuldenbremse im Grundgesetz. Danach muss der Bund sein Defizit bis 2016 auf 0,35 Prozent des Bruttoinlandsprodukts und damit unter zehn Milliarden Euro drücken.