Saarlands Regierungschef Peter Müller (CDU) im Abendblatt-Interview über die Lage der Regierung und die Chancen von Schwarz-Grün.

Berlin. Hamburg und das Saarland sind politisch Geschwister. In beiden Ländern koaliert ein CDU-Regierungschef mit den Grünen. Saar-Ministerpräsident Peter Müller, der die FDP noch mit im Boot hat, sieht Schwarz-Grün nicht als Modell für den Bund.

Hamburger Abendblatt:

Herr Ministerpräsident, wann haben Sie zuletzt mit Ole von Beust telefoniert?

Peter Müller:

Das weiß ich nicht mehr. Miteinander gesprochen haben wir am vergangenen Montag im CDU-Präsidium.

Holen Sie sich Tipps, wie man eine Regierungskoalition mit den Grünen am Laufen hält?

Wir tauschen unsere Erfahrungen aus, und ich glaube, dass wir beide davon profitieren.

Profitiert denn die Hamburger CDU von dem schwarz-grünen Bündnis?

Das kann ich aus der Ferne nur begrenzt beurteilen. Ich glaube aber, dass es gut und richtig war, diese Koalition einzugehen.

Die CDU lässt sich auf grüne Bildungspolitik ein - und stürzt in den Umfragen ab ...

Wir haben gegenwärtig für die CDU bundesweit bescheidene Umfragen, das ist keine Hamburger Besonderheit. Vor diesem Hintergrund muss man die Frage nach der Bildungspolitik relativieren. Koalition heißt Kompromiss. Ich glaube, dass CDU und Grüne bei der Schulreform in der Hansestadt einen für beide Seiten tragbaren Kompromiss gefunden haben.

Das Saarland setzt ebenfalls auf längeres gemeinsames Lernen. Muss Ihre Jamaika-Koalition keine Volksabstimmung fürchten?

Wir werden an diesem Donnerstag unsere Konzeption zur Schulreform vorstellen. Wir streben eine breite Diskussion mit allen betroffenen Gruppierungen an, und dann wird man sehen, wie es weitergeht.

Bleibt von Beust im Amt, wenn die Schulreform an den Bürgern scheitert?

Es kommt des Öfteren vor, dass sich das Ergebnis eines Volksentscheids nicht mit den Vorstellungen der Regierenden deckt. Das ist demokratische Normalität und kein Rücktrittsgrund.

Schwarz-Grün im Hamburg, Jamaika im Saarland - Modelle für den Bund?

Ich sehe im Augenblick keine Perspektive für eine Zusammenarbeit von Union und Grünen auf Bundesebene. Ob sich das irgendwann einmal ändert, ist eine Frage, die sich heute nicht stellt.

Schlechter als bei Schwarz-Gelb könnte es kaum laufen ...

Union und Grüne liegen im Bund in einer Reihe von Punkten sehr viel weiter auseinander, als eine Koalition das verträgt. Im Übrigen haben wir bereits eine Regierung in Berlin. Schwarz-Gelb ist nicht optimal aus den Startblöcken gekommen. Aber die Regierung ist handlungsfähig, und dies wird auch so bleiben.

Die Wahl des neuen Bundespräsidenten sollte zum Neustart für Schwarz-Gelb werden. Warum ist das so gründlich schiefgegangen?

Was heißt Neustart? Natürlich hätten wir uns gewünscht, dass Christian Wulff schon im ersten Wahlgang die absolute Mehrheit erreicht. Dass dies nicht so war, ist ein Signal, das weniger mit Christian Wulff zu tun hat als mit der Unzufriedenheit über die Koalition, in der es nicht rund läuft. CDU, CSU und FDP müssen ihr Erscheinungsbild verbessern. Sie müssen harmonischer miteinander umgehen.

Die Kanzlerin, so scheint es, würde am liebsten zur Tagesordnung übergehen ...

Die Ergebnisse der Koalition sind besser als ihr Erscheinungsbild, das muss man auch mal festhalten. Deutschland steht - trotz Wirtschafts- und Finanzkrise - im internationalen Vergleich gut da. In Volksparteien und Koalitionen ist es ganz normal, dass es unterschiedliche Positionen gibt. Auf dem Weg zum Kompromiss bedarf es allerdings einer stärkeren internen Abstimmung.

Soll heißen?

Es geht mir vor allem um die Abstimmung zwischen Bund und Ländern. Je früher die Länder eingebunden sind, desto besser ist es.

Das wäre die Aufgabe von Kanzleramtsminister Pofalla. Macht er keinen guten Job?

Ich glaube, dass es Verbesserungspotenzial bei der Einbindung der Länder gibt.

Ist der abwartende Führungsstil der Kanzlerin hilfreich?

Ich finde, Angela Merkel macht einen prima Job. Das war in der vergangenen Legislaturperiode so, und das ist jetzt auch so. Es ist unsinnig, Machtworte einzufordern. Es kommt darauf an, die Koalitionspartner zu überzeugen. Das macht Angela Merkel wirklich gut. Sie ist eine gute Kanzlerin.

Sie sprechen im Saarland auch keine Machtworte?

Machtworte nutzen nichts. Sie sind ein Zeichen der Schwäche.

Ein Feld massiver Auseinandersetzungen ist die Atompolitik. Kann sich Schwarz-Gelb auf eine Laufzeitverlängerung für Kernkraftwerke verständigen?

Die Jamaika-Koalition im Saarland wird sich an einer Verlängerung der Laufzeiten nicht beteiligen. Wir haben vereinbart, dass am Atomausstieg nicht gerüttelt werden soll.

Die Länder dürfen vielleicht gar nicht mitentscheiden.

Das wäre rechtlich fragwürdig. Als der Atomausstieg vereinbart wurde, gab es über die Frage der Zustimmungspflicht eine kontroverse Debatte im Bundesrat. Damals haben unionsgeführte Länder wie Hessen, Baden-Württemberg und Bayern die Zustimmungspflicht sehr stark reklamiert. Ich wüsste nicht, warum man das jetzt anders sehen sollte.

Ziehen Sie vor das Bundesverfassungsgericht, wenn die Länder an der Entscheidung nicht beteiligt werden?

Die Frage stellt sich gegenwärtig nicht. Ich gehe davon aus, dass die Frage der Zustimmungspflicht der Länder sehr sorgfältig geprüft wird. Das Ergebnis bleibt abzuwarten.

Die Regierung wollte das Gesundheitssystem von Grund auf reformieren. Jetzt erhöht sie die Beiträge. Was ist das für ein Signal?

Man kann im Grundsatz ja Verständnis für die Forderung haben, die Finanzierung der Krankenversicherung von den Lohnkosten abzukoppeln. Allerdings geht das nicht ohne sozialen Ausgleich. Und der müsste über das Steuersystem erfolgen. Dafür gibt es im Augenblick keinen ausreichenden finanziellen Spielraum.

Kritik an den Gesundheitsbeschlüssen kommt von allen Seiten ...

Zu den beschlossenen Beitragserhöhungen gibt es wenig Alternativen. Es ist richtig, die steigenden Kosten nicht allein auf die Versicherten abzuwälzen, sondern die Wirtschaft zu beteiligen. Es ist auch sinnvoll, dass die Krankenkassen höhere Zusatzbeiträge erheben können. Die Unterschiedlichkeit der Kritik spricht dafür, dass ein vertretbarer Mittelweg gefunden worden ist. Ohne diese Schritte würde sich die Qualität der Gesundheitsversorgung verschlechtern.

Ist die große Gesundheitsreform für diese Wahlperiode vom Tisch?

Die Vorstellung, dass wir über Nacht ein völlig neues Gesundheitssystem entwickeln, habe ich nicht. Ich gehe davon aus, dass die Lösung, die jetzt gefunden wurde, für diese Wahlperiode trägt.

Herr Müller, wann haben Sie zuletzt mit Angela Merkel telefoniert?

Wir telefonieren nicht tagtäglich. Aber gesprochen habe ich auch mit ihr am Montag im CDU-Präsidium.

Hat Merkel Sie schon gefragt, ob Sie stellvertretender CDU-Vorsitzender werden wollen?

(lacht)

Drei Posten werden frei.

Darüber reden wir im Vorfeld des Parteitags im November.

Wären Sie denn bereit, mehr Verantwortung zu übernehmen?

Ich sehe mein Tätigkeitsfeld in meinem Bundesland. Da habe ich genug zu tun.

Kann die CDU die Abgänge von Koch, Wulff und Rüttgers verkraften?

Politik heißt immer auch Wechsel und Wandel. Roland Koch ist natürlich ein politisches Schwergewicht. Er wird uns sehr fehlen. Dasselbe gilt für Christian Wulff und Jürgen Rüttgers.

Sehen Sie Hoffnungsträger?

Die neuen Ministerpräsidenten von Niedersachsen und Baden-Württemberg, David McAllister und Stefan Mappus, sind Männer mit Zukunft in der Partei. Ich bin fest davon überzeugt, dass auch Umweltminister Röttgen noch viele Aufgaben übernehmen kann. Und natürlich will ich weder den Bundesverteidigungsminister noch Ursula von der Leyen vergessen. Das Leben geht weiter.