Berlin. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) will Störfeuer aus den eigenen Reihen nicht mehr tolerieren. Vor der Unionsfraktion hat sie gestern eines ihrer seltenen Machtworte gesprochen. Nach Angaben von Teilnehmern der nicht öffentlichen Sitzung sagte die CDU-Vorsitzende: "Es geht so nicht mehr weiter." Merkel habe Ton und Umgang einzelner Mitglieder der Fraktion und der Regierung kritisiert und Konsequenzen bei Verstößen gegen den guten Stil angekündigt.

Merkels Philippika gipfelte Teilnehmerberichten zufolge in dem Satz: "Am Abend weiß man manchmal bei uns nicht mehr, wer Freund und Feind ist!" Für den Fall, dass die ewigen Nörgeleien nicht aufhören würden, habe die CDU-Vorsitzende sogar gedroht, sie werde sich die Kritiker von nun an "persönlich" vorknöpfen.

Sanftere Töne schlug die Kanzlerin bei den Liberalen an und verabreichte Kritik nur in homöopathischen Dosen - nach dem Motto, in den ersten neun Monaten der Legislatur habe sich die Union "vielleicht ein bisschen zu klein und die FDP sich ein wenig zu groß gemacht". Insgesamt habe sie sich zufrieden über ihre erste Diskussion mit den Abgeordneten der FDP-Bundestagsfraktion gezeigt. Das Treffen sei "von gegenseitiger Achtung" geprägt gewesen, sagte die CDU-Vorsitzende anschließend: "Man hat gemerkt, dass wir Fraktionen einer Koalition sind." Zuvor hatte sie den FDP-Parlamentariern nahezu zwei Stunden lang Rede und Antwort gestanden. Die Diskussion sei sehr offen gewesen, alle Streitthemen seien angesprochen worden, hieß es anschließend. Die FDP-Fraktionsvorsitzende Birgit Homburger bestätigte, das Treffen habe "viel zum gegenseitigen Verständnis beigetragen".

Union und FDP waren gestern also deutlich bemüht, die vergiftete Atmosphäre - die gegenseitigen Attacken waren in den zurückliegende Wochen in Beleidigungen wie "Gurkentruppe" oder "Wildsau" eskaliert - wieder zu bereinigen. Anscheinend mit Erfolg. Dass der ehemalige FDP-Vorsitzende Wolfgang Gerhardt ein Papier in Umlauf gesetzt hatte, das in dem Vorwurf gipfelte, Merkel habe die zentrale FDP-Forderung nach einer Steuerreform einfach "weggewischt", wurde gestern elegant übergangen. Selbst FDP-Generalsekretär Christian Lindner, der sich gern mit Merkel anlegt, wenn er FDP-Grundsätze in Gefahr sieht, gab sich konziliant. Merkel sei mit großem Applaus begrüßt worden, berichtete Lindner. Und dass er in Merkels Visite die "Begründung einer guten Tradition" sehe.

Und ein langjähriges FDP-Fraktionsmitglied sagte, dass es sich an einen Besuch Helmut Kohls in der FDP-Fraktion nicht erinnern könne.