Der Mann verteilt Flugblätter an patientinnen und betreibt eine Homepage mit Namen von Medizinern, die Frauen beim Abbbruch einer Schwangerschaft helfen.

Karlsruhe. Ein Abtreibungsgegner darf nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts weiter vor Arztpraxen protestieren und die Mediziner namentlich kritisieren. In dem zivilrechtlichen Verfahren hatte ein Arzt vor dem Landgericht München eine Unterlassungsverfügung durchgesetzt. Das Oberlandesgericht München wies die Berufung des Abtreibungsgegners zurück.

Der Mann erreichte nun aber mit seiner Verfassungsbeschwerde die Aufhebung der Verfügung. Das Bundesverfassungsgericht erklärte, er verstoße nicht gegen die Persönlichkeitsrechte der Ärzte (Aktenzeichen: Bundesverfassungsgericht 1 BvR 1745/06, Beschluss vom 8. Juni 2010). Der Demonstrant hält aus religiöser Überzeugung Abtreibungen für verwerflich. Er protestiert mit Plakaten und Flugblättern vor Frauenarzt-Praxen, die Schwangerschaftsabbrüche vornehmen. Frauen, die er für mögliche Patientinnen hält, versucht er dazu zu bewegen, dass sie ihre Haltung zur Frage der Abtreibung überprüfen.

Vor der Praxis eines Münchner Frauenarztes verteilte er Flugblätter mit der Information, der Arzt führe „rechtswidrige Abtreibungen durch, die aber der deutsche Gesetzgeber erlaubt und nicht unter Strafe stellt“. Auf einer von ihm betriebenen Homepage nannte er den Arzt als Abtreibungsmediziner.

Daraufhin verklagte der Mediziner den Mann vor dem Landgericht München I erfolgreich auf Unterlassung. Die Richter stellten fest, der Abtreibungsgegner habe rechtswidrig in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers eingegriffen.

Die Richter des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts entschieden jedoch, dass es sich bei den Äußerungen des Abtreibungsgegners um wahre Tatsachenbehauptungen handelt, die den Arzt weder in seiner besonders geschützten Intim- noch in seiner Privatsphäre treffen, sondern lediglich Vorgänge aus seiner Sozialsphäre benennen. „Derartige Äußerungen müssen grundsätzlich hingenommen werden und überschreiten regelmäßig erst dann die Schwelle zur Persönlichkeitsrechtsverletzung, wenn sie einen Persönlichkeitsschaden befürchten lassen, der außer Verhältnis zu dem Interesse an der Verbreitung der Wahrheit steht“, erklärte das oberste Gericht.

Dem Arzt drohe jedoch kein umfassender Verlust an sozialer Achtung, wenn seine Bereitschaft zu Schwangerschaftsabbrüchen zum Gegenstand einer öffentlichen Erörterung gemacht wird. Der Frauenarzt hat selbst im Internet darüber informiert, dass er solche Abbrüche vornimmt.

Dass der Demonstrant Patientinnen einem Spießrutenlauf aussetzt, werten die Verfassungsrichter als „gewichtigen Gesichtspunkt“. Dieser rechtfertigt nach ihrer Auffassung aber nicht ein so umfassendes Verbot, wie es das Landgericht erlassen hat. Das Verfassungsgericht verwies die Sache an das Landgericht zurück.