So werben Wulff, Gauck und Jochimsen digital für ihre Präsidentschafts-Kandidatur

Hamburg. Nein, im Internet ist er nicht so oft unterwegs, das sagt Joachim Gauck gleich zu Beginn. Immerhin ist er schon 70 Jahre alt - weit älter also als der Durchschnitt der sogenannten Netzgemeinde, die sich vor allem aus Zehn- bis 45-Jährigen zusammensetzt. Das macht aber alles nichts, denn Gauck hat Kinder und Enkelkinder. "Und die erzählen mir, was da abgeht", sagt der Kandidat von SPD und Grünen für das Amt des Bundespräsidenten in einem Video, das man sich auf der Website ansehen kann. Und was da im Internet so abgeht, ist eine ganze Menge.

Seit Bekanntwerden von Gaucks Kandidatur haben sich diverse Unterstützerinitiativen gebildet, in denen die Online-User für den DDR-Bürgerrechtler als neuen Bundespräsidenten werben. Sie tun dies im sozialen Netzwerk Facebook, wo sich schon fast 40 000 Menschen zusammengefunden haben. Sie tun es beim Kurznachrichtendienst Twitter, wo sie unter dem Stichwort "mygauck" ihre Sympathien kundtun. Sie tun es im Studentennetzwerk StudiVZ auf eigens eingerichteten Homepages und Blogs. "Unglaublich", findet Gauck das Ganze, "wie viele Menschen mich da unterstützen wollen, ist fantastisch." Auf seiner Seite sind deshalb auch alle Websites aufgelistet, die die Menschen für Gauck erstellt haben - und zwar ohne Hilfe von Parteiwerbung und Massenmedien. Außerdem gibt es viele Fotos, Videos und Artikel, mit denen Gauck für sich wirbt. Das macht nicht nur er so, sondern ebenso seine beiden Mitstreiter.

Auch der Kandidat von Union und FDP, Christian Wulff, präsentiert sich im Internet mit einer eigenen Website, in die Twitter-Account und Facebook-Profil eingebunden sind. Allerdings hat er dort deutlich weniger Unterstützer als Gauck. Keine 4000 User kann er auf sich vereinen. In einem Video-Chat hat Wulff jedoch kürzlich versprochen, sein Profil in dem sozialen Netzwerk auch im Falle seiner Wahl zum Bundespräsidenten zu behalten. "Die Netzgemeinde hat Anspruch darauf, zeitnah zu erfahren, was der Bundespräsident macht", hatte Wulff als Begründung gesagt.

Auch Lukrezia "Luc" Jochimsen, die 74 Jahre alte Kandidatin der Linkspartei, hat eine eigene Internetseite - auf der sie sich jedoch in erster Linie als "kulturpolitische Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag" darstellt und weniger als Kandidatin für das höchste Amt im Staat. Dennoch gibt es auch hier Videos, Fotos und Artikel. StudiVZ, Twitter und Co. sind bei der ehemaligen Journalistin Jochimsen allerdings nicht zu finden. Eine Unterstützergruppe bei Facebook hat rund 650 Mitglieder.

Insgesamt ist es für Politiker längst nichts Neues mehr, sich den Wählern auch im Internet zu präsentieren. Facebook statt Fußgängerzone - das gilt vor allem seit den letzten Bundestagswahlen im Herbst 2009. Dass das jetzt allerdings auch Bundespräsidenten in spe so machen, ist ein absolutes Novum in der Bundesrepublik. Inszeniert wird so ein Wahlkampf, der zwar offiziell nicht so heißen darf, im Grunde aber doch einer ist. Mit dem Nebeneffekt, dass sich noch nie so viele junge Menschen für die Bundespräsidentenwahl interessiert haben.