Die Deutsche Bahn leidet besonders unter den Diebstählen - sie legen ihre Züge lahm

Hamburg/Hannover. Der blaue Transporter schoss wie eine Flipperkugel zwischen den Tunnelwänden der vierten, in Richtung Süden führenden Röhre des Elbtunnels hin und her. Er beschädigte Mauerwerk, Brandschutzverkleidungen, blieb mit vollkommen eingedrückter Front stehen. Dann beobachtete ein Augenzeuge Erstaunliches: Die Insassen stiegen hektisch aus - um sich in einem zweiten Auto schleunigst vom Unfallort zu entfernen. Den Transporter samt Ladung ließen sie zurück. Der Grund, so vermutet die Polizei, liegt in der Fracht, die sich auf der Ladefläche befand: 30 gebrauchte Elektromotoren, die mit hoher Wahrscheinlichkeit aus Diebstählen stammen.

Laut Polizeisprecher Holger Vehren war der Mercedes-Transporter mit einem deutschen Kurzzeit-Kennzeichen versehen. Die Männer, die ihn im Tunnel stehen ließen, stiegen nach dem Aufprall in eine Limousine mit vermutlich rumänischem Kennzeichen und verschwanden in der Nacht. Zwei Stunden war der Elbtunnel in Richtung Süden gesperrt.

Dank der Uhrzeit blieben große Staus aus. Die Schäden an den Tunnelwänden werden allerdings weitere Arbeiten nötig machen - und damit weitere kurzzeitige Röhrensperrungen. Flüchteten die Insassen des alten Transporters, weil sie fürchteten, als Metall- oder Schrottdiebe enttarnt zu werden? Die Polizei sucht nach Hinweisen auf die Täter (Tel.: 42 86 56 789).

Ulrich Leuning, Geschäftsführer der Bundesvereinigung Deutscher Stahlrecycling- und Entsorgungsunternehmen, vermutet, dass ein Großteil der in Deutschland entwendeten Metalle ins Ausland gebracht wird. Leuning: "Die großen Metallmengen sind in Deutschland ohnehin nicht abzusetzen, die wandern immer ins Ausland. Das ist auch nicht besonders schwierig, man kann das ohne großen Aufwand über die Grenzen bringen. Und die Begleitpapiere lassen sich leicht manipulieren. Man braucht sie aber kaum. Denn an den Grenzen wird selten kontrolliert." Laut Leuning müsse man bei den Tätern zwischen zwei Typen unterscheiden: "Einmal sind es die Einzel- und Gelegenheitstäter, die zum Beispiel Friedhöfe abräumen, Dachrinnen mitnehmen oder Metall auf Baustellen stehlen. Und dann gibt es organisierte Banden. Unter diesen leiden vor allem Recycling-Betriebe. Diese Banden stehlen fertig aufbereitetes Material gleich Lkw-weise."

Auch die Deutsche Bahn wird immer wieder von Metalldieben heimgesucht. Vor dem Vorfall bei Isernhagen, der in der Nacht zu Mittwoch zu einer achtstündigen Streckensperrung führte, hatten Metalldiebe schon zahlreiche Zugausfälle verursacht. So mussten allein in diesem Monat Abschnitte auf den Strecken Hannover-Berlin, Hildesheim-Braunschweig und Köln-Koblenz gesperrt werden. Bahnsprecher Egbert Meyer-Lovis: "Neben künstlicher DNA setzen wir auch auf den verstärkten Einsatz von Sicherheitspersonal, die intensive Zusammenarbeit mit der Bundespolizei und dem Verband Deutscher Metallhändler. Seit Sommer 2011 können wir einen Rückgang der Diebstähle feststellen. Materielle Schäden für die Bahn sind aber nur die eine Seite. Besonders ärgerlich sind Buntmetalldiebstähle auch für unsere Kunden. 2011 wurden dadurch 150 000 Verspätungsminuten erzeugt."

Im Mai 2012 fasste die Bundespolizei Buntmetalldiebe, die nahe Rothenburgsort auf 100 Metern Kabel abgeschnitten und zum Abtransport bereitgelegt hatten. Sie campierten nahe dem Tatort, hatten ihren Beutezug mit Champagner und Spirituosen gefeiert. Einer von ihnen war bereits drei Wochen zuvor erwischt worden: Er hatte einen 15 000-Volt-Stromschlag erlitten. Im Krankenhaus dankte er seinen Lebensrettern und schwor, zukünftig ein unbescholtenes Leben zu führen.