Auch Migranten schneiden besser ab. Einjähriges Pilotprojekt beendet

Berlin. Mehr Unternehmen sollten aus Sicht der Antidiskriminierungsstelle des Bundes anonymisierte Bewerbungsverfahren nutzen. "Anonym rekrutieren funktioniert", bilanzierte die Leiterin der Stelle, Christine Lüders, nach Abschluss eines Pilotprojekts zum Thema in Berlin. International sei es längst Standard, auf Angaben wie Namen, Geschlecht oder Familienstand sowie Fotos in der Bewerbung zu verzichten. Ohne diese Angaben werde der Fokus der Arbeitgeber auf die Qualifikation der Bewerber gelenkt. Dabei verbesserten sich insbesondere Chancen für Frauen und Migranten.

Klischees und Vorurteile spielten bei der ersten Sichtung von Bewerbungsunterlagen oft unbewusst eine große Rolle, sagte Lüders. Bei anonymisierten Bewerbungen wird in der ersten Bewerbungsphase auf die Angaben von Namen, Alter, Geschlecht, Herkunft und Familienstand in den Unterlagen verzichtet. Das Pilotprojekt habe gezeigt, dass Arbeitgeber diese Angaben nicht benötigten. Zugleich hätten alle Bewerbergruppen die gleiche Chance auf eine Einladung. Bei Frauen verbesserten sich die Chancen tendenziell, bei Bewerbern mit Migrationshintergrund seien zumindest die Nachteile verschwunden, erläuterte Lüders.

Das Verfahren wurde von Ende 2010 an von der Deutschen Post, der Deutschen Telekom, L'Oreal, dem Geschenkdienstleister Mydays, Procter & Gamble, dem Bundesfamilienministerium, der Bundesagentur für Arbeit in Nordrhein-Westfalen und der Stadtverwaltung Celle getestet. Die Personalstellen benutzten standardisierte Formulare, schalteten sensible Daten bei Online-Bewerbungen blind, übertrugen Daten in Tabellen oder schwärzten entsprechende Stellen. Nur die standardisierte Methode wurde zum Abschluss des Projekts als sinnvoll bewertet, weil mit den anderen Verfahren der bürokratische Aufwand steige.

Die Antidiskriminierungsstelle habe aufgrund des anhaltenden Interesses von Unternehmen einen Leitfaden für anonymisierte Bewerbungsverfahren entwickelt, ergänzte Lüders. Zudem würden Schulungen angeboten. Ein Gesetz strebt sie nicht an. Ein Bewusstseinswandel bei den Unternehmen könne nur freiwillig geschehen.

Der Präsident des Bonner Instituts zur Zukunft der Arbeit (IZA), Klaus Zimmermann, sagte, persönliche Details in Bewerbungen verringerten die Chancen trotz gleicher Qualifikation nachweislich. So sinke die Chance auf eine Einladung zu einem Bewerbungsgespräch für ein Praktikum allein aufgrund eines türkisch klingenden Namens um 14 Prozent. Daneben gebe es Hinweise, dass die Diskriminierung in der ersten Bewerbungsphase am höchsten ist und im weiteren Verlauf abnimmt. "Nach der Anonymisierung herrscht tatsächlich weitgehend Chancengleichheit", resümierte Zimmermann. Dies sei auch gut für die Wirtschaft: Weil Unternehmen aufgrund von Vorurteilen die falschen Bewerber einstellten oder qualifizierte Bewerber ablehnten, könnten durchaus Milliarden Euro verloren gehen.