Geschäftsführer der Fraktionen rudern zurück. Euro-Rebell Frank Schäffler drohte mit Klage vor dem Bundesverfassungsgericht

Berlin. Nach den vernichtenden Reaktionen auf die Einführung eines neuen Rederechts im Bundestag sind die Initiatoren zurückgerudert. Der parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, Peter Altmaier, sprach von einem ersten Entwurf, der die Kritik hervorgerufen habe. "Ich gehe davon aus, dass wir eine einvernehmliche Regelung finden, die dem Rederecht des einzelnen Abgeordneten ein hohes Gewicht beimisst und die Funktionsfähigkeit des Parlaments ermöglicht", sagte Altmaier gestern.

"Diese Vorschläge sind nicht ausgereift und werden so nicht kommen", sagte der Geschäftsführer der SPD-Fraktion, Thomas Oppermann. Dennoch bleibt der Entwurf von Union und FDP die Grundlage für eine Neuregelung, die vorsieht, dass die Redner und die Redezeit mit den Fraktionen abgestimmt werden. Das hatte vor allem die Abweichler in den herausragenden Debatten um die Euro-Rettung und den Fiskalpakt aufgebracht.

Innenexperte Wolfgang Bosbach (CDU) hatte im Abendblatt verfassungsrechtliche Bedenken an der Neuregelung geäußert. Andere Abgeordnete hatten im Zusammenhang mit der Beschränkung des Rederechts von "Maulkorb" gesprochen. Linken-Chef Klaus Ernst war ebenso empört wie die Hamburger FDP-Abgeordnete Sylvia Canel. Sie empfahl, den Handlungsspielraum des Bundestagspräsidenten nicht zu beschneiden.

"Mit der SPD wird es keine Einschränkung des Rederechts geben", betonte gestern SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles. Der parlamentarische Geschäftsführer der Grünen-Fraktion, Volker Beck, erklärte, es sei gut, dass die SPD der Koalition "nun von der Fahne geht". Die Grünen haben offiziell beantragt, neu über die umstrittene Reform des Rederechts im Bundestag zu verhandeln. In einem Brief an Bundestagspräsident Lammert forderte Beck, die geplante Änderung nicht zu beschließen, sondern die Frage zurück an die zuständigen Gremien zu verweisen. Das Bundestagspräsidium selbst sei nicht ausreichend in die Neuregelung einbezogen worden.

FDP-Generalsekretär Patrick Döring wies die Vorwürfe zurück: "Es ging nie um die Einschränkung der Darstellungsmöglichkeiten von denjenigen Kolleginnen und Kollegen, die der Mehrheitsmeinung nicht folgen." Es sei darum gegangen, in der Geschäftsordnung des Bundestages festzuschreiben, dass Abweichler während einer Debatte ihre Position darstellen könnten und nicht erst am Ende. Der FDP-Abgeordnete Frank Schäffler, der als Kritiker der Euro-Rettungspakete von Lammert gegen den Willen der eigenen Fraktionsführung Rederecht bekommen hatte, kündigte im Bayerischen Rundfunk eine Verfassungsklage an, sollten seine Rechte beschnitten werden.

Der Linkspartei-Geschäftsführerin Dagmar Enkelmann forderte die anderen Bundestagsparteien auf, den Antrag zum Rederecht von der Tagesordnung zu nehmen. Bislang war der Antrag für Donnerstagabend kommender Woche vorgesehen. Jetzt wird das Vorhaben gestoppt. Enkelmann kritisierte, ursprünglich hätten die Fraktionsspitzen von Union, SPD und FDP geplant, den Antrag ohne Aussprache und damit gewissermaßen an den Bundestagsabgeordneten vorbei zu beschließen.

Als vorläufiger Sieger in der Auseinandersetzung kann sich Parlamentspräsident Lammert fühlen. Sein Votum, den Euro-Abweichlern Redezeit zu gewähren, war sogar im Ältestenrat bemängelt worden. Jetzt sieht es so aus, als habe Lammert im Sinne der freien Abgeordneten gehandelt.