Auf der Geburtstagsfeier für den Hamburger Staatsrechtler Claus Arndt fordert Österreichs Bundespräsident europäische Werte ein

Hamburg. Kurz nachdem der österreichische Bundespräsident Heinz Fischer noch einmal betonte, wie wichtig der Rechtsstaat für die Freiheit Europas ist, steht ein alter Mann auf und bewegt sich langsam in Richtung Mikrofon. Er habe die Weimarer Republik erlebt und den Weltkrieg, er sei Soldat gewesen, habe gelebt, als die "Franzosen noch die Erzfeinde der Deutschen" waren. Und er sagt dann noch einen Satz: "Ich hätte nie gedacht, dass ich ein einiges und freies Europa noch erleben würde." Seine Worte fallen in eine bewegte Zeit: mehr als 20 Jahre nach dem Fall der Mauer, fast mehr als 70 Jahre nach Ende des Krieges.

Die rund 60 Gäste mit grauem Haar klatschen kräftig. Sie würden diesen Satz alle unterschreiben. Kann ja nicht oft genug gesagt werden. Vor allem an diesem Tag, an dem die Katholische Akademie Hamburg und die Friedrich-Ebert-Stiftung zu einem Symposium aus Anlass des 85. Geburtstags von Professor Claus Arndt eingeladen haben. Der Jurist lehrte 31 Jahre lang an der Universität Hamburg und der Fachhochschule für öffentliche Verwaltung, mehr als 400 wissenschaftliche Arbeiten sind in dieser Zeit entstanden. Als Wissenschaftler, aber auch als Politiker der SPD habe er "das Strafrecht menschlicher gemacht", sagte Bundespräsident Heinz Fischer. Er war für die Veranstaltung nach Hamburg gereist. Fischer und Arndt kennen sich seit den 1960er-Jahren, aus Studienzeiten, aus gemeinsamen Zeiten der europäischen Nachkriegssozialdemokratie.

Auf der Veranstaltung zum Thema "Den Völkern Europas einen Raum der Freiheit und des Rechts" mahnte Fischer vor den "Blessuren", die Europa bekommen habe - vor allem durch die Euro-Krise. Europa habe keine Kriege mehr zu bewältigen, es durchtrenne keine Mauer mehr den Kontinent. "Die Mühen der Gebirge liegen hinter uns. Vor uns liegen die Mühen der Ebenen", zitierte Fischer den Schriftsteller Bertolt Brecht. Das gelte für Europa heute.

Wenn es bei dem Symposium einen Kanon gibt, in den alle einstimmen, dann dieser: Das Gefühl eines freien Europas muss stärker an junge Menschen weitergetragen werden. "Wir müssen die Sehnsucht nach Frieden bei der jungen Generation stärker erhalten als bisher", sagte Wissenschaftssenatorin Dorothee Stapelfeldt (SPD) auf dem Podium. Zu den Beziehungen zwischen Deutschland und Österreich sagte Bundespräsident Fischer dem Abendblatt: "Sie waren immer schon gut, aber die Zusammenarbeit beider Länder innerhalb der Europäischen Union war noch nie so eng wie derzeit." Er sei "sehr zufrieden". Österreichs Bundespräsident will mit seinem neu gewählten Amtkollegen aus Deutschland, Joachim Gauck, eng zusammenarbeiten. Fischer blickt den deutsch-österreichischen Beziehungen auch unter dem Gesichtspunkt des Beitrags durch die beiden Bundespräsidenten "positiv entgegen". Fischer hob hervor: "Bei europäischen Themen werden wir möglichst geschlossen auftreten." Österreichs Präsident kennt Gauck "noch von früher". Am Tag nach der Wahl des deutschen Amtskollegen habe er ihn angerufen. Beide Präsidenten hätten sich enge Zusammenarbeit vorgenommen. "Gauck hat in Österreich einen sehr guten Namen", sagte Fischer.

Nach Informationen des Abendblatts wird Gauck im Juni zum Antrittsbesuch in Wien erwartet.