Nürnberg. Die Arbeitsagenturen haben 2011 deutlich mehr Sanktionen gegen Hartz-IV-Empfänger verhängt und ihnen wegen Verfehlungen die Leistungen gekürzt. Im Vergleich zum Vorjahr sei die Zahl der Sanktionen beim Arbeitslosengeld II um etwa zehn Prozent gestiegen, sagte ein Sprecher der Bundesagentur für Arbeit (BA) in Nürnberg und bestätigte damit einen Bericht der "Bild"-Zeitung. Zugleich machte er aber deutlich: "Die reinen Missbrauchsfälle und Betrugsfälle steigen nicht an. Wir haben überwiegend Meldeversäumnisse."

Dies liege vor allem daran, dass die Arbeitsagenturen den Jobsuchern 2011 wegen der vielen offenen Stellen deutlich mehr Einladungen geschickt hätten. Versäumt ein Arbeitsloser aber solch einen Termin, wird automatisch die Leistung gekürzt. Dies gilt auch, wenn ein Betroffener etwa eine Arbeitsaufnahme verweigert, eine Ausbildung nicht antritt oder Termine der sogenannten Wiedereingliederungsvereinbarung nicht einhält.

Im vergangenen Jahr wurden 912 377 Sanktionen verhängt - so viele wie noch nie zuvor. Im Durchschnitt wurden die Leistungen um 116 Euro im Monat gekürzt. Am häufigsten wurde in Berlin sanktioniert. Dort mussten 4,4 Prozent der Leistungsempfänger Kürzungen hinnehmen. Dahinter folgen Rheinland-Pfalz (4,1) und Hamburg (3,8). Der geringste Anteil an Leistungskürzungen wurde in Bremen verzeichnet (2,7 Prozent).

Eine Sprecherin des Bundesarbeitsministeriums betonte: "Die überwiegende Zahl aller erwerbsfähigen Leistungsbezieher macht mit, engagiert sich und will in Arbeit kommen. Sanktionen treffen immer nur einen kleinen Bruchteil der Langzeitarbeitslosen." Zuletzt seien dies im Bundesdurchschnitt etwa drei Prozent der erwerbsfähigen Leistungsbezieher gewesen. Nur 15 Prozent resultierten aus der Weigerung, eine Arbeit, Ausbildung oder Maßnahme anzutreten oder fortzusetzen - dieser Anteil ist nach Angaben der BA gesunken.

Auch die Zahl der Betrugsfälle beim Bezug von Hartz IV ging 2011 deutlich zurück. Die BA leitete 177 500 Straf- und Bußgeldverfahren wegen Missbrauchs ein - das waren fast 50 000 Fälle oder knapp 22 Prozent weniger als 2010. Nur wenn sich herausstelle, dass der Arbeitssuchende nebenbei gearbeitet habe, werde dies als Missbrauch gewertet, erklärte der BA-Sprecher.

Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) warnte davor, Hartz-IV-Bezieher als "Trickser" und "Schummler" zu diffamieren. "Wir reden hier von Menschen, die es ohnehin schwer haben und mit sehr wenig Geld über die Runden kommen müssen", sagte DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach. Die Hilfebedürftigen resignierten teils, seien überfordert oder meldeten sich zu spät. Auch der Paritätische Wohlfahrtsverband warnte vor Stimmungsmache. "Hier geht es nicht um mutwilligen Missbrauch, sondern um Versäumnisse wie beispielsweise das Vergessen eines Termins", sagte Hauptgeschäftsführer Ulrich Schneider.