Patienten sollen vor überhöhten Rechnungen geschützt werden. Mediziner wehren sich

Hamburg. Die Krankenkassen wollen Deutschlands Zahnärzten genauer auf die Finger und in die Rechnungen schauen. In einem Positionspapier der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV), das dem Abendblatt vorliegt, heißt es, dass die Patienten vor immer höheren Zuzahlungen "geschützt" werden sollen. Deshalb wollen die Kassen nicht bloß ihren Anteil an der Zahnarztrechnung schärfer kontrollieren, sondern auch die Kosten, die der Versicherte selbst für Füllungen, Kronen und andere Therapien übernehmen muss. "Wir würden unsere Kunden gern auch zum privaten Teil ihrer Rechnung qualifiziert beraten. Das wäre ein weiterer Schritt hin zum viel zitierten mündigen Patienten", sagte der Vorstandschef der Techniker Krankenkasse, Norbert Klusen, dem Abendblatt.

Die Ärzte reagieren empört auf die Pläne. "Für diese Kontrolle gibt es gar keine rechtliche Grundlage", sagte der Vorstandschef der Kassenzahnärztlichen Vereinigung Hamburg, Dr. Eric Banthien, dem Abendblatt. Die Kassen würden Misstrauen zwischen Arzt und Patient säen. "Wer seine Kostenvoranschläge nicht durchblickt, sollte sich bei der Kassenärztlichen Vereinigung oder der Zahnärztekammer eine zweite Meinung holen", so Banthien. Die Patienten sollten sich nicht von den Kassen hereinreden lassen, welche Leistungen sie wünschen und welche nicht.

Die Kassen kontern, man müsse genau hinschauen, damit es nicht zu überhöhten Rechnungen komme. Der Honoraranteil, den die Kasse übernimmt, geht nach Verbandsangaben immer weiter zurück. Bei Zahnersatzleistungen liege er bei knapp einem Viertel. Die übrigen drei Viertel würden nach der privaten Gebührenordnung für Zahnärzte (GOZ) abgerechnet.

Erst zu Jahresbeginn hatte die Politik den Zahnärzten mit der neuen Gebührenordnung - sie war seit 20 Jahren nicht verändert worden - neue Verdienstmöglichkeiten beschert. Bislang kostete etwa eine Vollkrone den Patienten rund 445 Euro, jetzt sind es 491 Euro. Der Kassenzuschuss von 125 Euro ist da schon abgezogen. "Wir wollen endlich Transparenz bei den Zahnarztrechnungen", sagte der Vizevorsitzende des Versicherungsverbands GKV, Johann-Magnus von Stackelberg, der "Süddeutschen Zeitung". Nach einer Statistik der Unabhängigen Patientenberatung betreffen drei von zehn Beschwerden über Ärzte die Zahnbehandlung - mit Abstand der höchste Wert.

Die Kassenpläne sehen zudem einen Preiskatalog für Zuzahlungen vor. Die Patienten seien oft überfordert in den Verhandlungen mit ihrem Arzt. "Generell würde es für die Patienten einen erheblichen Vorteil bringen, wenn ihre Krankenkasse mit Zahnärzten oder Gruppen von Zahnärzten Höchstsätze für den privat zu zahlenden Teil der Leistungen vereinbaren könnte", sagte TK-Chef Klusen. "Hier ist der Gesetzgeber gefordert." Anhand der Rechnungen wollen die Kassen auch Zahnarztpraxen miteinander vergleichen.

Der Chef der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung, Dr. Jürgen Fedderwitz, nannte das Vorhaben dreist: "Die Kassen haben ihre Ausgaben für die zahnmedizinische Betreuung der Versicherten immer weiter zurückgefahren. Jetzt wollen sie ihre Leistungsschwäche kompensieren, indem sie Behandlungen kontrollieren, die sie gar nicht bezahlen. Das nenne ich Chuzpe."