Rechtsextreme gehen mit dem Thema Kindesmissbrauch auf Stimmenfang

Hamburg. In Kiel ermittelt die Staatsanwaltschaft. Ministerpräsident Peter Harry Carstensen (CDU) hat Strafanzeige erstattet gegen die rechtsextreme Gruppe Freier Widerstand Südschleswig. Grund: Volksverhetzung. In einem Artikel im Internet wurde menschenverachtend gegen Sexualstraftäter gehetzt. Die Gruppe forderte unter anderem die Unterbringung in Lagern. Die Seite der Neonazis wurde mittlerweile eingestellt. Gewalt an Kindern ist ein emotionales Thema, Trauer und Wut mischen sich nicht nur bei Angehörigen, sondern auch bei Nachbarn und unbeteiligten Bürgern. Neonazi-Kameradschaften und auch die rechtsextreme NPD mischen sich immer wieder unter trauernde Stimmen und wütende Proteste gegen Täter. Ihre Forderungen nach "Todesstrafe für Kinderschänder" finden hier einen fruchtbaren Boden - obwohl sie im Widerspruch zur deutschen Verfassung stehen.

Nach dem Mord an der elfjährigen Lena aus Emden sollen in dem "Kondolenzbuch für den kleinen Emder Engel" auf Facebook auch Parolen der Rechtsextremen aufgetaucht sein - und wurden dann von den Administratoren schnell wieder gelöscht. In Hamburg haben nach Angaben des Mobilen Beratungsteams gegen Rechtsextremismus zuletzt Neonazis durch Flugblätter und Beiträge im Internet versucht, Stimmung mit dem Thema "Todesstrafe für Kinderschänder" zu machen, vor allem in Bramfeld und Jenfeld. "Die rechtsextremen Gruppen bieten beim Kindesmissbrauch schnelle und einfach Lösungen an für ein Thema, das weit komplizierter ist als ein simples Denken in Gut und Böse", sagt eine Mitarbeiterin des Beratungsteams. Um das Wohl der Kinder gehe es ihnen dabei nicht. Auf ihren Internetseiten sucht man vergebens nach konstruktiven und verfassungskonformen politischen Konzepten. Dafür stößt man auf Hetze gegen die deutsche "Kuscheljustiz". Der Weg der rechtsextremen Gruppen geht vor allem über die populäre Forderung nach härteren Strafen.

Und damit öffnen sich die Rechtsextremen Türen. Die Parolen der Neonazis könnten nach hochemotionalen Situationen wie Kindesmorden anschlussfähig sein für andere Kreise, sagt der Präsident des niedersächsischen Verfassungsschutzes, Hans-Werner Wargel. Neonazis in Nadelstreifen, so lässt sich die Strategie der Rechtsextremen zusammenfassen, mit der vor allem die NPD unter ihrem neuen Vorsitzenden Holger Apfel versucht, die menschenverachtenden und verfassungswidrigen Parolen salonfähig zu machen.

Ohne das Thema "Kinderschänder" kommt auch kaum eine rechtsextreme Band aus, über das Internet vertreiben viele Gruppen T-Shirts mit dem Slogan "Todesstrafe für Kinderschänder". Vor allem die sozialen Netzwerke wie Facebook spielen bei dieser Strategie der Rechtsextremen eine immer bedeutendere Rolle. Die Facebook-Seite "Keine Gnade für Kinderschänder" hatte mehr als 70 000 Fans. Unbekannte haben dort offen für die NPD geworben, Bilder mit Sprüchen der Partei wurden hochgeladen. Auch NPD-Chef Holger Apfel "gefiel" die Seite. Die Autorin Simone Rafael von "Netz gegen Nazis" recherchierte, wie auf der Seite rechtsextreme Quellen verwendet wurden, sodass Täter bei Kindesmissbrauch mehrheitlich einen Migrationshintergrund aufzuweisen hatten, kritische Stimmen seien gelöscht worden. Erst im November ließ Facebook die Seite löschen.