Hamburgs Altbürgermeister zieht in seiner Autobiografie politische Bilanz. Auszüge exklusiv im Abendblatt

Dieses Buch wird die Diskussion in der Hamburger CDU neu entfachen: Altbürgermeister Ole von Beust hat bedauert, die umstrittene Primarschule nicht schon zu Zeiten der CDU-Alleinregierung in Hamburg eingeführt zu haben. Die sechsjährige Gemeinschaftsschule war das zentrale Ziel des schwarz-grünen Senats, der von 2008 bis 2010 regierte. Die Schulreform scheiterte an dem Volksentscheid vom 18. Juli 2010. Am selben Tage war Bürgermeister Ole von Beust nach fast neun Jahren im Amt zurückgetreten. Nur wenige Monate später zerbrach auch das schwarz-grüne Bündnis.

Nun meldet sich der knapp 57-Jährige nach Monaten der Zurückhaltung wieder zu Wort. In seinem Buch "Mutproben - Ein Plädoyer für Ehrlichkeit und Konsequenz" geht er ausführlich auf die gescheiterte Schulreform ein.

Inhaltlich stehe er zu "100 Prozent hinter den Entscheidungen", nur der politische Umgang sei falsch gewesen. Wenn er die Konsequenzen des Volksentscheids rekapituliere, hätte er "die Reform besser schon zur Zeit der absoluten Mehrheit begonnen und nicht erst in der Koalition mit den Grünen", schreibt der CDU-Politiker. Schon vor der schwarz-grünen Zusammenarbeit sympathisierte Beust demnach mit der Idee des längeren gemeinsamen Lernens. Das überrascht, weil die CDU 2008 im Wahlkampf für die "Rettung der Gymnasien" warb und eine "Einheitsschule" strikt ablehnte. Die GAL kämpfte damals für neun Jahre gemeinsames Lernen.

In "Mutproben" schreibt Beust nun zur Verlängerung der Primarschulzeit: "Als wir dann mit den Grünen die Koalition eingingen, sah ich den Zeitpunkt für diese Reform gekommen." Und: "Es war beherzt, als CDU eine solche Schulreform anzugehen." Das deutsche Bildungssystem müsse grundlegend reformiert werden. Weder sei es gerecht, noch führe es zu überzeugenden PISA-Ergebnissen. "Wenn einige Politiker sich nun hinstellen und behaupten, dass unser bisheriges Schulsystem weltweit anerkannt sei, erfolgreich und verlässlich, dann ist das schlicht nicht wahr", betont Beust.

In dem Buch geht er auch auf seine eigene Schulzeit ein. Seine Leistungen auf der Grundschule seien für das Gymnasium eigentlich nicht ausreichend gewesen, die Lehrer wollten aber damals den "Sohn des Bezirksbürgermeisters" nicht durchfallen lassen. "Ich durfte Karriere machen, während anderen Mitschülern, die vielleicht ebenso gut oder besser abgeschnitten hatten als ich, dieser Weg verwehrt wurde." Beust zieht eine sehr positive Bilanz der schwarz-grünen Regierungszeit. Von den Schwerpunkten der Koalition rückt er nicht ab und verteidigt auch die Stadtbahn, deren Planungen die CDU nach dem Koalitionsbruch rasch stoppte. Er hält die Entscheidung des SPD-Senats, die Stadtbahn "zu kassieren", für einen großen Fehler.

Politik, so Beust, erfordere Mut, mitunter auch die eigene Klientel zu verärgern. In einem flammenden Plädoyer für Europa wirbt das langjährige Mitglied des CDU-Bundesvorstands für mehr Solidarität. "Wenn wir uns als Europäer verstehen und Europa als Projekt nicht scheitern soll, müssen wir bereit sein, für jene, die in finanzieller Not sind, einzustehen." Ausdrücklich fordert er die Einführung gemeinsamer Anleihen, sogenannter Euro-Bonds, und den Aufbau einer Transferunion. "Wir brauchen eine Art Länderfinanzausgleich für Europa." Bislang hatten Unionspolitiker eine Transferunion geschlossen abgelehnt.