Die Kanzlerin besuchte am Dienstag die “wunderschöne Stadt“ Prag und warb dort um Tschechiens Zustimmung zum EU-Fiskalpakt.

Prag. Kurz vor ihrer Reise nach Tschechien hatte sich Opern-Liebhaberin Angela Merkel als Fan der böhmischen Komponisten Anton Dvorak und Bedrich Smetana bekannt. Und eine Liebeserklärung an die Hauptstadt Prag legte die Bundeskanzlerin auch noch ab. Sie habe aus ihrer Zeit als junge Austausch-Wissenschaftlerin aus der DDR sehr gute Erinnerungen an diese "wunderschöne Stadt", sagte Merkel.

Bei ihrer Stippvisite in Tschechien war gestern allerdings keine Zeit für die schönen Künste und die beeindruckende Architektur der Prager Altstadt. Zwar betonten beide Seiten die "sehr guten" Beziehungen zwischen ihren Ländern - aber es gibt einige Misstöne, die noch harmonisiert werden müssen.

Diesem Zweck diente auch Merkels Reise. Den Festakt zum 20-jährigen Bestehen des deutsch-tschechischen Nachbarschaftsvertrags hatte die CDU-Vorsitzende im März noch Außenminister Guido Westerwelle (FDP) überlassen. Aber da war schon klar, dass auch die Regierungschefin bald nach Prag reisen würde.

Die um die Euro-Rettung ringende Merkel treibt vor allem Tschechiens Nein zum europäischen Fiskalpakt um. 25 der 27 Mitgliedstaaten wollen sich die strengen Haushaltsregeln des Pakts auferlegen, nur Großbritannien und eben Tschechien nicht. Das ist für Merkel noch verschmerzbar, schließlich führt Tschechien den Euro nicht als Währung. Ein Beitritt zum Pakt sei also freiwillig, sagte die deutsche Regierungschefin und betonte, dass das Thema Fiskalpakt keines sei, über das beide Länder streiten.

Andererseits sollen die Kernelemente des Fiskalpakts so schnell wie möglich in die EU-Verträge geschrieben werden - und dafür müsste Tschechien an Bord sein. Sie wisse, warb Merkel vor der Reise geschickt um Zustimmung, dass die augenblickliche Regierung sehr reformfreudig sei und an einer klugen Haushaltsdisziplin mitarbeiten wolle. Für Regierungschef Petr Necas mag das gelten, nicht aber für Staatspräsident Vaclav Klaus.

Necas gab sich bei dem Treffen als Pro-Europäer und versicherte ein ums andere Mal seine Solidarität. In der Europapolitik gehörten beide Länder zu den wenigen, die wirklich auf konsequente Haushaltspolitik setzten, erklärte der konservative Ministerpräsident. Die Haushaltsdisziplin sei ein Schlüsselelement, hierin seien sich Deutschland und Tschechien vollkommen einig. Solide Haushaltspolitik, Stärkung des Binnenmarktes und der Wettbewerbsfähigkeit - all das sind Schlagworte, die auch den Fiskalpakt der EU dominieren. Tschechien ist also - so sieht es Necas - sowieso schon Mitglied des Fiskalpakts. Eine Unterzeichnung stehe derzeit zwar nicht an, aber sein Land halte die Regeln des Pakts doch bereits ein, sagte er.

Präsident Klaus hingegen ist ein ausgewiesener EU-Kritiker, er verglich die Europäische Union sogar schon mit der Sowjetunion. Es war vor allem Klaus, der die Unterzeichnung des Lissabon-Vertrags verschleppte und ständig Sand ins europäische Getriebe streute. Wenige Wochen ist es erst her, da kritisierte Klaus die Versuche zur Bewältigung der europäischen Schuldenkrise scharf. Die derzeitigen "kosmetischen Korrekturen" würden nicht helfen, notwendig sei vielmehr ein "fundamentaler Systemwandel" zur Verbesserung der Lage, sagte er. Das Wirtschafts- und Sozialsystem und die europäischen Institutionen müssten umstrukturiert werden. Merkel sprach mit Klaus auf der Prager Burg, und es war schon vorher klar, dass sich der Präsident nicht würde umstimmen lassen.

Mit Necas aber rückte Merkel auch beim zweiten derzeit großen Thema zwischen Deutschland und Tschechien zusammen - der Atomkraft und insbesondere dem geplanten Ausbau des Kernkraftwerks Temelin nahe der bayerischen Grenze. In Deutschland fühlt man sich nicht ausreichend informiert über die Pläne der Nachbarn. Der Regierungschef erklärte nun: "Wir sind gute Nachbarn, und daher möchten wir in diesem Bereich keine Geheimnisse haben." Sein Land sei dazu bereit, "alle notwendigen Informationen zu teilen". Prag sei "zu öffentlichen Diskussionen" über den Ausbau von Temelin bereit. "Diese Diskussionen werden auf deutschem Gebiet stattfinden", sagte er.

Merkel sagte, es gebe auf europäischer Ebene die Einigung, dass in Atomkraftwerken Beobachter zuzulassen seien. Necas habe ihr gegenüber "immer wieder Offenheit in dieser Frage bekundet". Sie glaube, dass das Thema auf einem guten Weg sei.

Vor der Rückreise nach Berlin traf die Bundeskanzlerin in der Karls-Universität noch mit tschechischen Jura-Studenten zusammen: Wieder wirbt sie für eine gemeinsame Zukunft als europäische Union.

Und an der Universität gab es auch ein Wiedersehen: Merkel, die zu DDR-Zeiten als Physikerin mehrere Monate lang in Prag lebte, traf ihren ehemaligen Professor Rudolf Zahradnik wieder. Sie erinnerte sich daran, wie sie damals einmal über die Verspätung ihres Zuges aus Berlin geflucht habe. Zahradnik habe daraufhin gesagt, dass sie beide an einem großen Experiment teilnähmen, das nicht funktionieren könne - das wüssten aber noch nicht alle. Professor Zahradnik meinte das Experiment des Sozialismus.