Betreuungsgeld, Pendlerpauschale, Zuwanderung, Schlecker - Union und FDP sind in vielen verschiedenen Sachfragen zerstritten.

Berlin. Einst genügten ein, zwei strittige Themen, um das parlamentarische "Sommerloch" zu füllen, jene neun oder zehn Wochen also, in denen der Bundestag nicht zusammenkommt. Am vorigen Freitag begann die "Osterpause" - doch die nimmer streitmüde Koalition präsentiert bereits jetzt mindestens vier Konflikte für die dreiwöchigen Parlamentsferien.

Die faulen Eier im schwarz-gelben Osternest kommen dabei unterschiedlich groß und vielseitig gefüllt daher. Die Koalitionsparteien streiten unter- und miteinander über das Betreuungsgeld, die Pendlerpauschale, die Zuwanderung und die Causa Schlecker. Dabei bieten CDU/CSU und FDP variantenreiche Konstellationen.

Beispiel Betreuungsgeld: Die Liberalen wettern gegen die 150 Euro, die für Kinder unter drei Jahren monatlich gezahlt werden soll, welche daheim betreut werden. Die CSU plädiert dafür. Die Mehrheit der von Kanzlerin Angela Merkel geführten CDU hält die Prämie für gut, 23 ihrer Bundestagsabgeordneten wenden sich nun dagegen. Wie wenig die Regierung noch auf ihre - vermeintlichen - Grundfesten setzt, zeigt sich daran, dass der Koalitionsvertrag ad acta liegt. In ihm steht: "Um Wahlfreiheit ... zu ermöglichen, soll ab dem Jahr 2013 ein Betreuungsgeld in Höhe von 150 Euro ... eingeführt werden." Den Satz hatte die Union durchgesetzt.

Die FDP-Familienpolitikerin Miriam Gruß war damals entsetzt. Sie wendet sich seit jeher gegen das Betreuungsgeld und sieht darin bis heute "blanken Unsinn". Der Hinweis auf den Koalitionsvertrag amüsiert Fraktionsvize Gruß. Sie sagt: "Im Koalitionsvertrag steht viel drin. Da finden sich lauter Dinge, die nicht umgesetzt werden." Ihre Freude über die Zerrissenheit der CDU mag Miriam Gruß da nicht verbergen. "Der Widerstand in der Union ist toll. Es ist ein starkes Zeichen, dass so viele CDU-Kollegen nun den Aufstand proben. Ich kann mich darüber nur freuen."

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Ganz ähnlich äußert sich gegenüber der Zeitung "Die Welt" der Chef der FDP-Nachwuchsorganisation, Lasse Becker: "Wir Julis freuen uns sehr, dass sich bei der Union etwas beim Thema Betreuungsgeld tut. Natürlich bleibt zu hoffen, dass sich diejenigen, die für ein Familienbild von heute stehen, durchsetzen. Das Betreuungsgeld der CSU zeigt ein Familienbild aus den 1950er-Jahren und nicht aus dem Jahr 2012."

FDP-Generalsekretär Patrick Döring wittert schon die Chance, das Betreuungsgeld über neue Verhandlungen aus dem Weg zu räumen - ein Hoffnungsschimmer, wenigstens dieses Projekt zu verhindern. Das klingt dann so: "Wenn in der Unionsfraktion bereits jetzt mehrheitsgefährdende Widerstände bestehen, sind wir offen für neue Gespräche", sagte Döring. Das Betreuungsgeld sei "nie Wunsch der FDP gewesen. Bisher liegt nicht einmal ein ressortabgestimmter Gesetzentwurf vor." Die Liberalen wollten "mehr und flexiblere frühkindliche Betreuungsangebote schaffen und die schnellere Rückkehr qualifizierter Frauen in den Beruf zur Sicherung unseres Wachstums ermöglichen", sagte Döring. "Das ist wichtiger als neue Finanzmittel für die Betreuung zu Hause."

Mehr und mehr wird das Betreuungsgeld zum Spaltpilz innerhalb der CDU. Am Sonntag wandte sich auch der CDU-Spitzenkandidat für die Landtagswahl in Schleswig-Holstein, Wirtschaftsminister Jost de Jager, gegen eine Barauszahlung, wie sie die CSU will.

Ähnlich uneinig treten Koalition und Christdemokraten bei der Pendlerpauschale auf. Der Ruf nach ihrer Erhöhung, der stets ertönt, sobald Schulferien oder Feiertage bevorstehen und die Benzinpreise steigen, ertönte zunächst bei der FDP - jener Partei, die einst gegen Subventionen stritt und ein "einfaches" Steuersystem verfocht. Ihr Vorsitzender Philipp Rösler dokumentierte neben einer erfolglosen auch noch eine erratische Ader. In einer ungewohnten Allianz sprang ihm Wolfgang Kubicki bei, FDP-Spitzenkandidat in Schleswig-Holstein. Hier steht am 6. Mai die nächste Wahl ins Haus. Sie dürfte (mit)entscheiden über die politische Zukunft der Herren Rösler und Kubicki. Und beide Männer wissen, dass eine höhere Pendlerpauschale bei mindestens fünf Prozent der Wählerschaft gut ankommt. In diesen Dimensionen denkt die FDP. Zur Freude der Liberalen signalisiert auch Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) Zustimmung; in seinem Land wird in gut eineinhalb Jahren gewählt. Es gebe derzeit verschiedene Initiativen, um die Benzinpreisentwicklung nach oben zu stoppen, sagte Bouffier: "Man muss erst mal abwarten, ob diese fruchten. Sollte dies nicht geschehen, muss man über eine Erhöhung der Pauschale nachdenken." Offiziell lehnt die Koalition es ab, die Pendlerpauschale von 30 Cent pro Kilometer zu erhöhen. Die saarländische Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) ist denn auch dagegen. Sie hat gerade eine Landtagswahl gewonnen.

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Munter und folkloristisch sind die Differenzen bei der Zuwanderung. Genauer gesagt geht es um eine Blue Card, die den Zuzug von qualifizierten Arbeitskräften aus Nicht-EU-Staaten erleichtern soll. Die Koalition hat diese Blue Card beschlossen, die Koalitionspartei CSU aber wendet sich dagegen. Über ein "falsches Signal" schrieb die bayerische Arbeitsministerin Christine Haderthauer (CSU) in der "Bild am Sonntag". Weiter schrieb sie: "Solange uns gut ausgebildete Migranten frustriert den Rücken kehren, ist der Ruf nach ,frischen' ausländischen Fachkräften zynisch." Ein Schelm, der denkt, Horst Seehofer sehe die Sache anders.

Der bayerische Ministerpräsident provoziert derweil seinen Koalitionspartner FDP in München wie in Berlin zugleich. Grund ist das Scheitern einer Bürgschaft für die insolvente Drogeriekette Schlecker. Durch das Veto seines Wirtschaftsministers Martin Zeil (FDP) sei den Schlecker-Mitarbeitern "der Weg in eine sichere Zukunft verbaut" worden, sagte Seehofer mit sicherem Gespür für Profilierung. Er sehe eine "Hinwendung der Union zur Planwirtschaft", kontert nun Juli-Chef Becker. Es sei "richtig, dass die FDP die Sonderbehandlung eines einzelnen Unternehmens in Form einer Staatsbürgschaft verhindert hat. Am Ende hat die FDP gestanden." FDP-Fraktionsvize Gruß sagte: "Seehofer ist hier auf dem Irrweg. Der Staat ist nicht der bessere Unternehmer." Seehofers Attacken gegen die FDP veranlassten gar Ex-CSU-Chef Erwin Huber zu einer Intervention. Es sei "unklug, unangemessen und unverständlich ... so verletzend über den Koalitionspartner herzufallen", sagte Huber der "Passauer Neuen Presse". Heute beginnt die Osterpause offiziell. Sie endet am 23. April.