Nach dem Sieg des SPD-Kandidaten in Frankfurt stehen die Christdemokraten unter Schock

Frankfurt. Frankfurts scheidende Oberbürgermeisterin Petra Roth (CDU) hat oft gewarnt, dass die CDU in großen Städten an Einfluss verlieren würde, wenn sie borniert statt weltoffen agiere. Beispiel: Hamburg, Köln oder Bremen. Dreieinhalb Millionen Stadt-Bürger würden deshalb heute weniger von der CDU regiert als 2009. "Darauf muss man reagieren." Roth hat reagiert. Sie legte ihr Amt ein Jahr früher als nötig nieder, um ihrem Wunschnachfolger den OB-Sessel zu sichern, bevor sich andere Parteien profilieren konnten. Das Ergebnis: Nun werden auch die 680 000 Frankfurter nicht mehr von der CDU regiert.

Der Favorit im Rennen um den OB-Posten, Hessens Innenminister Boris Rhein (CDU), verlor überraschend klar gegen den fast unbekannten SPD-Kandidaten. Peter Feldmann gewann die Stichwahl mit 57,4 Prozent. Der 53 Jahre alte frühere Leiter eines Altenheims hatte am Wahlabend kaum mehr Worte für den Sieg, der ihn vollkommen überwältigte. "Das ist eine fette, fette Überraschung", sagte er. "Das hätte niemand erwartet, auch ich nicht."

Urplötzlich gehört der Betriebswirt und Politologe zu den wichtigsten Kommunalpolitikern Deutschlands. Und er wird der erste Frankfurter Oberbürgermeister seit 1933 sein, der jüdischen Glaubens ist. Über Frankfurt hinaus bekannt ist der SPD-Fraktionsvize für sein Engagement im Arbeitskreis jüdischer Sozialdemokraten (AJS). Der Vater einer dreijährigen Tochter hatte in seiner Jugend zwei Jahre im Kibbuz verbracht und Gärtner gelernt.

Der CDU hat der Wahlausgang einen Schock versetzt. Die Niederlage wiegt umso schwerer, als im Römer, dem Rathaus der Stadt, seit 2006 eine schwarz-grüne Koalition regiert. Ein schwarz-grünes Stadtparlament mit einem roten OB - da erwarten nicht wenige, dass das Ende des ersten schwarz-grünen Projekts in einer großen deutschen Kommune schon bald naht. 1995 nach der Wahl von Petra Roth war die rot-grüne Koalition auch sehr bald von einer Koalition aus CDU und SPD abgelöst worden.

Während der Chef der Hessen-SPD, Thorsten Schäfer-Gümbel, die Wahl schon als Vorboten eines Wechsels im ganzen Land sieht, wiegelt die CDU ab. "Die Wahl in Frankfurt war eine Personenwahl und lässt sich nicht auf Hessen übertragen", beeilte sich der Generalsekretär der Hessen-CDU, Peter Beuth, zu betonen, und dass es "bis zur Landtagswahl noch lange hin" sei. So lange aber auch nicht mehr. Zwischen Herbst und Dezember 2013 muss Hessen wählen. In Umfragen kommt das schwarz-gelbe Bündnis unter Volker Bouffier (CDU) nur noch auf 36 Prozent, Rot-Grün dagegen auf 52. Die FDP kämpft obendrein mit Skandalen; ihr parlamentarischer Geschäftsführer Leif Blum musste zurücktreten, weil ihm Steuerhinterziehung vorgeworfen wird.

Die CDU wird sich nun die Frage zu stellen haben, ob sie mit Boris Rhein den richtigen Mann ins Rennen um das multikulturelle Frankfurt geschickt hatte. Der 40 Jahre alte Innenminister in Bouffiers Kabinett galt vielen als harter Knochen, als ein "Law and Order"-Mann, der Frankfurt mit einem eisernen Besen auskehren will. Vor allem Flughafengegner aber sahen bei Rhein rot. Er hatte sich zwar für eine Einhaltung des Nachtflugverbots starkgemacht. Doch zugleich gehört er einer Regierung an, die gegen dieses Nachtflugverbot klagt.