71.000 Mitarbeiter an Rhein und Ruhr im Ausstand. Die Fronten sind verhärtet. In Hamburg sind weitere Proteste für Dienstag angekündigt.

Düsseldorf/Hamburg. Bei der zweiten Warnstreikwelle in Nordrhein-Westfalen hat die Gewerkschaft Ver.di die Gangart deutlich verschärft. Rund 71.000 Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes traten gestern nach Ver.di-Angaben in einen 24-Stunden-Warnstreik. Das waren 16 000 mehr als vor zwei Wochen. Der öffentliche Nahverkehr war - bis auf Züge der Deutschen Bahn - weitgehend lahmgelegt. Das befürchtete Verkehrschaos blieb aber aus. Auch viele städtische Kitas waren geschlossen. Der Müll wurde nicht abgeholt. Der Ausstand im bevölkerungsreichsten Bundesland war der vorläufige Höhepunkt der neuen bundesweiten Streikwelle. Heute sind die Beschäftigten in Baden-Württemberg und den Ost-Bundesländern zum Streik aufgerufen. Auch für Hamburg ist eine erneute Niederlegung der Arbeit im öffentlichen Dienst geplant.

Denn die Fronten zwischen Gewerkschaften und Arbeitgeber sind verhärtet. Dennoch hoffen die Arbeitgeber auf eine Einigung bei der nächsten Verhandlungsrunde ab dem 28. März in Potsdam. "Wir wollen beim nächsten Verhandlungstermin zu einer Einigung kommen. Das setzt Kompromissbereitschaft auf allen Seiten voraus", sagte der Hauptgeschäftsführer der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA), Manfred Hoffmann. Doch: Ein neues Angebot wird es laut Hoffmann trotz der Gewerkschaftsdrohung mit einem Flächenstreik nicht geben. Es sei derzeit kein finanzieller Spielraum für ein höheres Angebot vorhanden.

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Die Kommunen seien bereits "an die Grenzen der Haushaltssituation" gegangen, sagte der Hauptgeschäftsführer des kommunalen Arbeitgeberverbands Nordrhein-Westfalen, Bernhard Langenbrinck, im WDR. Er verwies auf einen Schuldenstand in den Kommunen von derzeit 128 Milliarden Euro. Gehaltssteigerungen wie von den Gewerkschaften gefordert würden unweigerlich zu Leistungskürzungen für die Bürger sowie zum Abbau von Personal führen. Zudem wollen die Arbeitgeber laut Hoffmann am Flächentarifvertrag festhalten. Vertreter von Arbeitnehmern und Arbeitgebern sollten nicht für wohlhabende und ärmere Regionen getrennt verhandeln, "weil wir natürlich auch verhindern wollen, dass die Beschäftigten zwischen einzelnen Arbeitgebern pendeln", sagte Hoffmann.

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Die Gewerkschaft fordert für die bundesweit rund zwei Millionen Beschäftigten des öffentlichen Dienstes in Kommunen und beim Bund 6,5 Prozent mehr Gehalt, mindestens aber 200 Euro. Die Arbeitgeber bieten bisher für zwei Jahre 3,3 Prozent. Allein in NRW betrifft der Tarifkonflikt laut Ver.di fast 580 000 Beschäftigte.

Ver.di-Chef Frank Bsirske drohte gestern bei der zentralen Kundgebung in Köln vor fast 20 000 Teilnehmern nochmals mit einem unbefristeten Streik. Wenn es kommende Woche nicht zu einer Einigung komme, dann hießen die nächsten Schritte Urabstimmung und Arbeitskampf. "Wir blicken zurück auf ein Jahrzehnt mit Reallohnverlust", sagte Bsirske. "So darf es nicht weitergehen." Die soziale Schere habe sich in Deutschland immer weiter geöffnet. Im EU-Vergleich seien die Vermögenden in Deutschland unterbesteuert. "Gottgegeben ist das alles nicht. Wir stehen hier, weil wir nicht länger bereit sind, den Buckel krumm zu machen für diese Art von Politik."

Auch für Hamburg kündigte die Gewerkschaft Streiks an. Die Menschen in der Hansestadt müssen sich am kommenden Dienstag wegen der Tarifauseinandersetzung erneut auf Einschränkungen einstellen. Wo genau es Ausfälle gibt, will die Gewerkschaft Ver.di morgen bekannt geben, wie eine Sprecherin mitteilte. Hamburgs Ver.di-Chef Wolfgang Rose erklärte: "Wir lassen allen Seiten genügend Zeit, sich darauf vorzubereiten." Die in Hamburg betroffenen rund 20 000 Arbeitnehmer wollen mit den Warnstreiks ihrer Forderung nach einem Gehaltsplus Nachdruck verleihen. Bereits am 6. März hatten Mitarbeiter der Stadtreinigung und der Kitas in Hamburg für mehrere Stunden die Arbeit niedergelegt.

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Für heute hat Ver.di Warnstreiks in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen geplant. So soll die Arbeit in Landratsämtern, Stadtverwaltungen, Kindertagesstätten, Sparkassen und bei der Stadtreinigung niedergelegt werden.

Was Hamburg am Dienstag möglicherweise erlebt und der Osten der Republik morgen, haben die Menschen in Großstädten wie Düsseldorf und Köln sowie in den Ruhrgebietsmetropolen bereits gestern spüren müssen. Dort traten Bus- und Straßenbahnfahrer mit Beginn ihrer Frühschicht gegen drei Uhr morgens in den Ausstand. "Bei den Straßenbahnen fahren 100 Prozent nicht. Die Bahnen stehen still", sagte Torben Seebold, Ver.di-Sprecher bei den Kölner Verkehrsbetrieben. In Düsseldorf streikten rund 700 Fahrer von Bussen, Straßen- und U-Bahnen. S-Bahnen und Regionalzüge fuhren aber weiter. U-Bahn-Stationen und Bushaltestellen waren wie leer gefegt.

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Während in Duisburg mehr als die Hälfte der 76 städtischen Kindertagesstätten geöffnet blieben, traf der Streik Dortmund härter: Dort hatten nur drei von insgesamt 109 kommunalen Kindergärten geöffnet. In Düsseldorf arbeiteten viele Kitas nur im Notdienst. Schwierig war die Lage für berufstätige Eltern in Köln: Von 225 städtischen Kitas waren fast 160 ganz geschlossen und die übrigen nur eingeschränkt geöffnet. Auch in Münster blieb knapp die Hälfte der kommunalen Kitas dicht. In Münster wie auch anderen Städten gab es aber Notbetreuungen für Kinder.

Aufführungen der Theater in Düsseldorf und Bochum wurden wegen des Streiks abgesagt. Bestreikt wurden auch Stadtverwaltungen, Schwimmbäder, Sparkassen und Jobcenter. In kommunalen Krankenhäusern und Altenheimen gab es Notfalldienste.