Finanzminister legt ehrgeizige Sparziele vor. Arbeitgeber kritisieren Belastungen für Beitragszahler sowie die Zuschussrente.

Hamburg/Berlin. Bislang war den deutschen Rentnern und den Beitragszahlern nicht ganz klar, was sie unmittelbar mit der Griechenland-Krise und dem Euro-Rettungsschirm ESM zu tun haben. Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) leistet dazu heute einen Beitrag zur Aufklärung. Denn in seinen Haushaltsplänen, die durch das staunende Bundeskabinett gewinkt werden sollen, verbirgt sich hinter Zahlenkolonnen und Kürzeln politischer Sprengstoff. Die Kurzbotschaft: Schäuble muss und will eisern sparen. Dazu scheut er auch den Griff in die Sozialkassen nicht. Die Neuverschuldung wird auf 19,6 Milliarden Euro 2013 gedrückt. Dank guter Wirtschaftslage in den vergangenen Jahren, dank fleißiger Beitragszahler und eines Rekordstandes an sozialversicherungspflichtigen Jobs läuft die Rentenkasse vor lauter Reserven über, produzierten selbst die Krankenkassen Überschüsse.

Die Rentenkasse: Zwei Milliarden Euro zieht Schäuble aus dem Bundeszuschuss an die Rentenversicherung ab. Das ist nicht einmal ein Neuntel dessen, was die Rentenversicherung jeden Monat auszahlt - doch alles andere als Peanuts. Mit diesem Zuschuss aus Steuergeldern werden Leistungen finanziert, die nicht originäre Aufgabe der Rentenversicherung sind, wie etwa die Anrechnung von Kindererziehungszeiten. Und schmelzen die Reserven, kann der Beitrag der Arbeitnehmer und Unternehmen nicht wie geplant sinken.

Die Arbeitgeber sehen einen Schuldenabbau auf Kosten der Sozialkassen kritisch. "Das ist Haushaltskonsolidierung zulasten der Beitragszahler, weil sie die Einnahmeausfälle der Rentenversicherung durch höhere Beiträge auffangen müssen", sagte Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt dem Hamburger Abendblatt. Hundt fordert die Bundesregierung zu einer klaren Regelung auf, damit die Rentenversicherungsbeiträge von derzeit 19,6 Prozent auch in Zukunft für Arbeitnehmer und Arbeitgeber stabil bleiben. "Die Kürzung des Bundeszuschusses darf äußerstenfalls nur vorübergehend bis 2016 erfolgen, damit die Einhaltung der langfristigen Beitragssatzziele - maximal 22 Prozent bis 2030 - weiter möglich bleibt."

Die 20 Millionen Rentner bekommen im zwar eine Erhöhung ihrer Bezüge um etwa 2,2 Prozent. Doch die Erhöhung fällt wegen der Rentengarantie vor der Bundestagswahl 2009 geringer aus als erwartet. Und Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) will die Beiträge bis 2016 nach Abendblatt-Informationen nicht so stark senken, wie sie es könnte. 2013 sinkt der Beitrag auf 19,2 Prozent und bleibt dort, obwohl es noch bis 19,0 heruntergehen könnte.

+++ Von der Leyen: Rente mit 67 eine Frage der Gerechtigkeit +++

+++ Rentner bekommen mehr – weniger Beiträge für alle +++

Zuschussrente für Geringverdiener: Von der Leyen (CDU) plant eine Zuschussrente für Geringverdiener von 850 Euro monatlich, um der Altersarmut vorzubeugen. Unter bestimmten Bedingungen können Menschen mit unterbrochenen Erwerbsbiografien sie bei gleichzeitiger privater Vorsorge erhalten. Firmen, Gewerkschaften und Experten sehen das Modell kritisch. Arbeitgeberpräsident Hundt sagte, für diese neue Leistung müsse die Rentenversicherung mit mehr Geld ausgestattet werden. "Wenn die Bundesregierung trotz aller Bedenken an der geplanten Zuschussrente festhält, müssen die damit verbundenen Kosten der Rentenversicherung in voller Höhe aus Steuermitteln erstattet werden. Hierzu bedarf es einer glasklaren Regelung, damit die Beitragszahler nicht doch auf den Kosten der Zuschussrente sitzen bleiben." Hundt sagte, es wäre "nicht nachvollziehbar", warum Versicherte und Arbeitgeber eine neue Leistung subventionieren sollen, "die ausgerechnet denjenigen nicht zusteht, die in besonderem Umfang Beiträge geleistet haben".

DGB-Vorstand Annelie Buntenbach befürchtet wegen der Regierungspläne, dass die "solidarische Versicherung fürs Alter mehr und mehr zu einem Bedürftigkeitssystem à la Hartz IV verkommen" könne.

Griff in den Gesundheitsfonds: Aus den Milliardenreserven im Gesundheitsfonds, den alle gesetzlich Krankenversicherten speisen, zieht Finanzminister Schäuble zwei Milliarden Euro ab. Sie waren als Reserve dafür gedacht, dass mehr Kassen Zusatzbeiträge erheben müssten und viele Versicherte dann Anspruch auf einen Sozialausgleich hätten. Im Gegenzug stellt Schäuble Geld zur Förderung privater Zusatzversicherungen für den Pflegefall zur Verfügung .

Die Schuldenbremse: Im Grundgesetz wurde festgelegt, dass der Bund ab 2016, die Länder von 2020 an keine neuen Schulden mehr machen dürfen. Für diese Schuldenbremse zählt aber nicht eine tatsächliche Neuverschuldung. Gewertet wird das "strukturelle Defizit", das Minus im Haushalt, das um Konjunktureinflüsse und Einmaleffekte bereinigt ist. Nach Schäubles neuen Plänen soll der Bund bereits 2014 das Ziel erreicht haben.

+++ Euro-Rettung belastet Haushalt mit 8,7 Milliarden +++

+++ Regierung verfehlt selbst gesteckte Sparziele +++

Der Euro-Rettungsschirm: Heute wird ein Nachtragshaushalt für den dauerhaften Euro-Rettungsschirm ESM beschlossen. Der startet im Juli, ein Jahr früher als geplant. In den ESM muss Deutschland 2012 rund 8,7 Milliarden Euro einzahlen. Die Neuverschuldung steigt in diesem Jahr von 26,1 auf 34,8 Milliarden Euro, auch weil sich die Einnahmesituation verändert hat und der Bundesbankgewinn geringer ausfällt. Somit wird das Erreichen der Schuldenbremse bis 2014 noch ehrgeiziger.

Was der Steuerzahlerbund anprangert: Für die Förderung zweifelhafter Projekte gibt der Bund offenbar Millionen aus. So bemängelte der Bund der Steuerzahler (BdSt), dass die Bundesministerien derzeit 156 Millionen Euro verschwendeten. BdSt-Präsident Karl Heinz Däke listete 30 mutmaßlich unsinnige Ausgabenposten auf, darunter 230 000 Euro an Steuergeld für die Züchtung von weißen, gelben, roten und violetten Biomöhren. Däke kritisierte das Bundesumweltministerium, das dem Mineralölkonzern Shell 170 000 Euro zur Verfügung stelle, damit an 50 Tankstellen die Lampen gegen energiesparende LED-Leuchten ausgetauscht werden. Diese Förderungen seien keine staatliche Aufgabe. Generell müsse die Bundesregierung die Ausgaben senken und nicht auf steigende Einnahmen setzen: "Wenn die Bundestagsabgeordneten wüssten, was sie mit Steuergeld finanzieren, dann müsste der Aufschrei groß sein, und der Haushalt wäre kleiner."