Joachim Gaucks erste Rede als Bundespräsident handelt von der Freiheit. Die eigene wird von nun an beschnitten.

Berlin. 30 Tage nach dem Rücktritt von Christian Wulff hat Deutschland einen neuen Bundespräsidenten. Mit einer großen Mehrheit von 991 Stimmen wurde der ehemalige DDR-Bürgerrechtler Joachim Gauck gestern von der Bundesversammlung in sein neues Amt gewählt. Der 72-Jährige ist das elfte Staatsoberhaupt seit der Gründung der Bundesrepublik.

"Mit der unendlichen Dankbarkeit einer Person, die nach den langen Irrwegen durch politische Wüsten des 20. Jahrhunderts endlich und unerwartet Heimat wiedergefunden hat", nehme er den neuen Auftrag an, sagte Gauck nach der Wahl. Der Rostocker Theologe war eine Führungsfigur der friedlichen Revolution in der DDR und leitete nach der Wiedervereinigung bis zum Jahr 2000 die Stasi-Unterlagenbehörde. In seiner ersten Rede als Bundespräsident rief er die Menschen zu demokratischer Teilhabe auf und warb für eine lebendige Bürgergesellschaft. "Es ist unser Land, in dem wir Verantwortung übernehmen, wie es auch unser Land ist, wenn wir die Verantwortung scheuen", sagte Gauck. Zudem erinnerte er an den 18. März 1990. An diesem Tag fanden die ersten und einzigen freien Wahlen zur DDR-Volkskammer statt.

Gauck war als Kandidat von Union, FDP, SPD und Grünen aufgestellt worden. Überraschend hatten sich trotz des großen Zuspruchs jedoch 108 Delegierte der Wahl enthalten, die meisten offenkundig aus diesem Lager. Zusammen stellten die vier Parteien 1100 der 1232 Wahlleute. Auf die Kandidatin der Linken, der als Nazi-Jägerin bekannt gewordenen Beate Klarsfeld, entfielen 126 Stimmen. Der von der rechtsextremen NPD nominierte Historiker Olaf Rose bekam drei Stimmen. 1228 gültige Stimmen wurden insgesamt abgegeben.

"Ich werde mit all meinen Kräften und meinem Herzen Ja sagen zu der Verantwortung, die Sie mir heute gegeben haben", betonte Gauck. Zugleich räumte er ein, "ganz sicher nicht alle Erwartungen erfüllen zu können", die in den kommenden fünf Jahren an ihn gerichtet würden. Er sei "kein Heilsbringer und kein Engel, sondern ein Mensch aus der Mitte der Gesellschaft". Er wolle sich nun auf neue Themen, Probleme und Personen einstellen.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sprach von einem guten Tag für die Demokratie. Gauck habe die Belange der Bürger im Auge und achte zugleich die Politiker, sagte Merkel. Dass nun zwei Persönlichkeiten aus dem Osten an der Spitze des Staates stünden, sei ein Zeichen, dass die deutsche Einheit gelinge und gelungen sei.

Hamburgs Erster Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) lobte Gaucks Ansprache. "Man darf sich auf viele interessante Reden freuen", sagte Scholz dem Abendblatt nach der Wahl. Die Hamburger FDP-Fraktionschefin Katja Suding sagte: "Für uns ist Joachim Gauck der ideale Präsident. Sein großes Thema, die Freiheit, wird unserem Land sehr guttun."

Schon heute wird Bundespräsident Joachim Gauck seinen ersten offiziellen Termin wahrnehmen. An diesem Vormittag werden er und seine Lebensgefährtin Daniela Schadt im Berliner Schloss Bellevue erwartet - "aus Anlass der Übergabe des Amtssitzes", wie das Bundespräsidialamt ankündigte. Dort wird Gauck mit dem bayerischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer (CSU) zusammentreffen, der in den vergangenen vier Wochen als Bundesratspräsident kommissarisches Staatsoberhaupt war. Vorgesehen ist auch ein Gespräch mit Gaucks Vorgänger Christian Wulff.