Mehr Zeit für Familien wird geplant: Auch Oma und Opa sollen zukünftig eine Auszeit von ihrem Job nehmen können, um ihre Enkel zu betreuen.

Berlin. Ein bisschen ist es wie bei Momo, der Heldin des gleichnamigen Erfolgsromans von Schriftsteller Michael Ende. Gegen eine Übermacht von Zeitdieben muss das kleine Mädchen in der Geschichte kämpfen, gegen die grauen Herren, die den Menschen die Minuten und Stunden stehlen und sie gehetzt und unglücklich machen.

Familienministerin Kristina Schröder (CDU) hat den Zeitdieben ebenfalls den Kampf angesagt. Nicht den literarischen Zeitdieben aus Endes Werk, sondern den realen aus dem Leben der deutschen Familien im Jahr 2012. "Der Wunsch nach mehr Zeit rangiert bei den Familien vor dem Wunsch nach mehr Geld oder einer besseren Kinderbetreuung", sagte Schröder gestern bei der Vorstellung des achten Familienberichts. Das Leben von Eltern und ihren Kindern sei heute "oft durch Zeitknappheit und Zeitkonflikte" gekennzeichnet. Um das zu ändern will Schröder künftig nicht nur Familien-, sondern eben auch Zeitpolitik machen. Dieses solle ein eigenständiges Feld innerhalb ihres Ressorts werden.

+++ Ministerin Schröder will Großelternzeit einführen +++

Belege für diese Notwendigkeit finden sich reichlich in dem 249 Seiten dicken Bericht, den eine Sachverständigenkommission aus acht Experten im vergangenen Jahr für Schröder ausgearbeitet hat. Im Fokus stehen dabei junge Eltern zwischen 20 und 40 Jahren, die mindestens ein minderjähriges Kind zu Hause haben. 62 Prozent der Väter und 37 Prozent der Mütter geben demnach an, zu wenig Zeit für ihren Nachwuchs zu haben. Noch höher sind die Werte, wenn es um fehlenden Freiraum für den Ehepartner und die persönliche Freizeit geht. Ein häufiges Gefühl des Zeitdrucks tragen 40 Prozent der Väter und 42 Prozent der Mütter mit sich herum, wenn beide Partner zudem Vollzeit berufstätig sind. "Die Frage muss lauten: Wie werden Gesellschaftsstruktur und Arbeitswelt vereinbar mit den Bedürfnissen von Familien mit minderjährigen Kindern", betonte Schröder - und kündigte Maßnahmen an, um den Eltern bei diesem Problem zu helfen:

Flexiblere Elternzeit: Bislang haben Eltern direkt nach der Geburt eines Kindes Anspruch darauf, drei Jahre von der Arbeit freigestellt zu werden. Zwölf Monate davon sind auch auf einen späteren Zeitpunkt bis zum Ende des achten Lebensjahres übertragbar. Das will Schröder nun variabler gestalten: Künftig sollen Eltern bis zu 24 Monate der Elternzeit flexibel einsetzen können. Dies soll bis zum 15. Geburtstag des Kindes möglich sein. "Das heißt, dass Eltern damit auch die späteren Lebensphasen der Kinder - also insbesondere den Übertritt auf die weiterführende Schule - besser begleiten können", sagte die Ministerin. Eltern, die während der Elternzeit arbeiten, sollten zudem mehr Mitspracherecht bei der konkreten Ausgestaltung der Arbeitszeit bekommen, sagte Schröder.

Großelternzeit: Diese Maßnahme ist neu. Schröder will durchsetzen, dass auch Großeltern künftig leichter eine Auszeit vom Beruf nehmen können, um ihre Enkelkinder zu betreuen. Das Modell solle ähnlich gestaltet werden wie die Elternzeit. Arbeitgeber sollen nur wegen "dringender betrieblicher Gründe" ihr Veto einlegen können. Als finanziellen Anreiz erwägt die Ministerin, einen von den Eltern des Kindes nicht ausgeschöpften Anspruch auf Elterngeld auf die Großeltern zu übertragen.

Dienstleistungen im Haushalt: Über diese Wahlperiode hinausgehen Planungen Schröders, "familienunterstützende haushaltsnahe Dienstleistungen" steuerlich zu fördern - also Tätigkeiten im Haushalt oder kleinere Reparaturarbeiten. Die Bundesregierung arbeite hierzu an einem Vorschlag. "Ja, das wird Geld kosten", räumte Schröder ein. "Es wird deshalb eine Herkulesaufgabe, die nicht in einem Ressort alleine und bestimmt auch nicht von heute auf morgen zu leisten ist." In dieser Legislaturperiode wolle sie jedoch "einen ersten Grundbaustein" legen.

Öffnungszeiten: Schulen, Kitas, Betreuungseinrichtungen, Handel und Behörden haben oft Öffnungs- und Schließzeiten, die ausgelastete Familien in die Bredouille bringen können. Hier will sich Schröder ebenfalls für eine bessere Abstimmung starkmachen. Das dürfte ein ähnlich langfristiges Projekt werden wie steuerliche Förderung der familienunterstützenden Dienstleistungen.

Während das Ende des Romans Momo gut ausgeht, die grauen Herren sich auflösen und die Menschen ihre Zeit zurückbekommen, ist bei Schröder längst noch nicht ausgemacht, welche der Maßnahmen am Ende tatsächlich in die Tat umgesetzt wird. Die familienpolitische Sprecherin der Grünen, Katja Dörner, warf der Regierung jedenfalls Untätigkeit vor. "Unternehmen werden nicht in die Pflicht genommen, Kosten dürfen keine verursacht werden." Auch SPD-Vizechefin Manuela Schwesig kritisierte Schröders Politik scharf. Insbesondere was die Versorgung mit Ganztagskitas und -schulen betreffe, gehe es in Deutschland "noch sehr mittelalterlich" zu, sagte sie im ARD-"Morgenmagazin". Die Bundesregierung stecke kein Geld in den Ausbau der Betreuungsangebote. Schröder sei "an der Stelle ein Totalausfall".