Ex-Vizekanzler Franz Müntefering über Leben im Alter, gerechte Löhne und die Karriere seiner Gattin

Hamburg. Seit 1966 ist Franz Müntefering in der Politik. Beim SPD-Ortstreffen in der Gaststätte Zur Eule im sauerländischen Sundern fing es an. "Münte", heute 72, war vieles in Partei und Politik - sogar Vizekanzler. Am Dienstag war er Gast bei der Körber-Stiftung in Bergedorf. Es ging vor allem um Engagement im Alter, aber auch um Demografie. Das Abendblatt traf den SPD-Politiker vor der Veranstaltung.

Hamburger Abendblatt:

Nach Einschätzung der OECD wächst die Gefahr von Altersarmut in Deutschland. Ist Deutschland im Alter wenig lebenswert?

Franz Müntefering:

Nein, natürlich nicht. Wir werden gesund alt und leben heute zehn bis 15 Jahre länger. Es hängt von jedem selbst ab, wie lebenswert er oder sie ihr Alter gestaltet. Aber natürlich ist die soziale Sicherheit Grundvoraussetzung für lebenswertes Altwerden. Und wer morgen noch soziale Sicherheit im Alter haben will, muss heute für ordentliche Löhne streiten.

Im Gegensatz zu anderen Ländern gibt es laut OECD eine systematische Umverteilung von Besserverdienern zu ärmeren Rentnern. Braucht Deutschland eine stärkere Umverteilungskultur?

Müntefering:

Das Rentenniveau in Deutschland ist beachtlich hoch, daher muss man vorsichtig sein mit Ländervergleichen. Sicher gilt es, die Steuern für Besserverdiener zu erhöhen. Aber das ist nur ein Schritt. Wir müssen uns vor allem von der Illusion verabschieden, dass Niedriglöhne, billige und prekäre Arbeit mit unserem Rentensystem in Einklang zu bringen sind. Deutschland ist ein Hochleistungsland, das nur weiterkommt mit gerechten Löhnen für alle. Die Parole "Geiz ist geil" kann sich Deutschland nicht leisten.

Die Tarife im öffentlichen Dienst werden neu verhandelt. Die Arbeitgeber bieten 3,3 Prozent mehr Geld. Ist das gerecht?

Müntefering:

Ein Politiker sollte sich nicht in Tarifverhandlungen einmischen. Insgesamt brauchen wir aber dringend eine höhere Wertschätzung von Berufen wie Krankenpfleger oder Erzieher. Die niedrigen Löhne in diesen Branchen treffen vor allem Frauen, die mehrheitlich in diesen Berufen arbeiten. Wenn mehr Männer in Krankenhäusern und Kindergärten arbeiten würden, wären die Löhne dort sicher auch schon höher. Diese Ungleichbehandlung von Mann und Frau dürfen wir nicht länger hinnehmen.

Sie sind 72 Jahre alt und derzeit noch Abgeordneter im Bundestag. Werden Sie 2013 wieder antreten zur Wahl?

Müntefering:

Das habe ich noch nicht entschieden.

Wo wollen Sie auch nach Ihrer Karriere politisch aktiv sein?

Müntefering:

Ich setze mich schon jetzt für eine nachhaltige Politik ein. Entscheidend dabei wird sein, dass es ausreichend Jobs für junge Menschen gibt, und gerade junge Frauen in ihren Kinderwünschen finanziell besser unterstützt werden als bisher. Dabei werde ich mithelfen.

Ihre Frau Michelle plant mit 31 Jahren derzeit den Einstieg in die große Berliner Politik. Unterstützen Sie ihre Kandidatur für den Bundestag?

Müntefering:

Ich unterstütze sie natürlich, aber helfen brauche ich ihr nicht. Sie ist lange in der Landespolitik aktiv, im Herbst wird die Partei auf ihrer Delegiertenkonferenz über die Nominierung entscheiden. Es gibt ja zwei Bewerbungen.