Körperliche Züchtigung ist nur leicht rückläufig, Gewalt bleibt Teil der Erziehung. Kinder wünschen sich Verständnis und größeres Umweltengagement.

Berlin. Die Grenzen zwischen dem Klaps auf den Hintern und körperlicher Gewalt sind fließend. Und beides gehört noch immer zu den gängigen Maßnahmen der Eltern, wenn sie ihr Kind großziehen – auch heute, zwölf Jahre nach dem gesetzlichen Verbot der körperlichen Gewalt in der Erziehung.

Die Züchtigung sei aus den Familien noch immer nicht verschwunden, sagte der Geschäftsführer des Meinungsforschungsinstituts Forsa, Manfred Güllner, bei der Vorstellung einer neuen Studie in Berlin. Zwar sei die Gewalt rückläufig. Vier von zehn Vätern und Müttern bestraften ihre Kinder aber noch immer mit einem "Klaps auf den Po". Die Studie im Auftrag der Zeitschrift "Eltern" zeige außerdem, dass Jungen häufiger als Mädchen geschlagen würden und es in kinderreichen Familien eher zu Gewalt komme.

Laut der Befragung bestrafen 40 Prozent (2006: 46 Prozent) der Eltern ihr Kind mit einem einfachen "Klaps auf den Po", zehn Prozent (2006: elf Prozent) züchtigen mit Ohrfeigen und vier Prozent (2006: sechs Prozent) versohlen ihrem Kind nach eigener Aussage den Hintern. Als Hauptgründe gaben die Eltern an, dass ihre Kinder unverschämt gewesen seien, nicht gehorcht oder sich aggressiv verhalten hätten.

Die Deutsche Kinderhilfe sprach von "dramatischen Zahlen". Gewalt gegen Kinder sei ein gesamtgesellschaftliches Problem. Trotz Gewaltverbots durch Gesetz im Jahr 2000 habe sich diese Erkenntnis bei einer großen Anzahl von Eltern nicht durchgesetzt.

Kinder in Ostdeutschland sind mit sich und ihrem Leben zufriedener

Aus Sicht des stellvertretenden "Eltern"- Chefredakteurs Oliver Steinbach zeigt die Studie aber auch, dass Eltern kaum noch aus Überzeugung, sondern eher aus Überforderung und Hilflosigkeit zuschlagen. Der Anteil derjenigen, die nach einer körperlichen Bestrafung ihrer Kinder ein schlechtes Gewissen hatten, stieg von 71 auf 75 Prozent. Zudem gaben 17 Prozent der Eltern an, dass die körperliche Bestrafung "eigentlich gar keine Wirkung" hatte.

In einer zweiten Studie ließ das Magazin "Eltern Family" 714 Kinder im Alter zwischen sechs und zwölf Jahren befragen. Insgesamt sei ihr Blick auf die Welt "deutlich kritischer geworden", sagte "Eltern"-Chefredakteurin Marie- Luise Lewicki. Fast 70 Prozent von ihnen seien der Meinung, dass sich Erwachsene zu wenig um die Umwelt und die Tiere kümmerten. Zwei Drittel kritisierten, dass Politiker ihre Versprechen nicht einhielten. Vor fünf Jahren war dies nur jeweils etwas mehr als die Hälfte der Kinder.

Erschreckend sei der offenbar verschlechterte Umgang der Kinder untereinander, sagte Lewicki. Drei Viertel wünschen sich, dass "Kinder nicht so gemein zueinander sind". Auch der Anteil derer, die gelegentlich traurig sind oder sich allein fühlen, stieg an.

Zufriedener mit sich und dem Leben sind offenbar Kinder in den neuen Bundesländern, auch das ergab die Studie. Die Eltern in den alten Bundesländern neigten eher zum "Überbehüten" ihrer Kinder, sagte der Geschäftsführer des Forschungsinstituts "Iconkids & Youth", Axel Dammler. Dies erkläre auch, wieso dort 60 Prozent der Kinder erwachsen sein wollten, während sich dies im Osten der Republik weniger als die Hälfte wünsche. "Kinder wollen herauskommen aus der kindlichen Ohnmacht", so Dammler.