Berlin/Hamburg. Es ist noch keine Meuterei, aber auch unter den wohlmeinenden Bundestagsabgeordneten wächst der Zorn. Zum wiederholten Mal müssen sich die Parlamentarier binnen weniger Tage einen Überblick über das nächste Griechenland-Hilfsprogramm verschaffen, um das abzunicken, was Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und ihre Minister auf Krisengipfeln und Europäischen Ratssitzungen ausgehandelt haben. Vier Seiten umfasst der Antrag der Unions- und FDP-Fraktion, den der Bundestag am Montag beschließen soll. Hundertmal so dick ist das Dokument, das klarmacht, worum es geht: Milliarden-Bürgschaften, die Chancen, Fallstricke, Risiken auch für die Deutschen.

Das Material bekamen die Abgeordneten in Päckchen zwischen Donnerstagabend und Freitagmorgen in die Hände. "Das geht so nicht mehr", heißt es in der FDP-Fraktion, die durch den Euro-Rebellen Frank Schäffler ohnehin einen starken Kritiker in ihren Reihen hat. "Dann kommt der Schäuble und sagt, dass es vielleicht doch noch teurer wird und dass man die Griechen nicht pleitegehen lassen kann. Das haben wir schon oft gehört."

Am Freitag sagte Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU), es könne nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden, dass nach Auslaufen des zweiten Griechenland-Pakets 2014 bis zum Jahr 2020 "weitere Anforderungen" kommen. In einem Schreiben an die Abgeordneten hatte Schäuble klargestellt: "Es gibt keine Garantien, dass der eingeschlagene Weg zum Erfolg führt."

In dem Abstimmungsentwurf, der dem Abendblatt vorliegt, fordern die Fraktionen die Regierung zum schnellen Handeln auf: Eine Schuldenbremse soll in allen Ländern des Fiskalpakts gelten, zukünftige Rettungspakete dürfen die deutschen Finanzen nicht übermäßig belasten. Eine Klagemöglichkeit gegen Schuldensünder vor dem Europäischen Gerichtshof soll endlich geschaffen, die Europäischen Verträge schnell geändert werden. Aber: Falls es notwendig ist, soll die Bundesregierung die Mittel des ESM (Europäischer Stabilitäts-Mechanismus) schneller zur Verfügung stellen als geplant. Damit wird nahegelegt, dass die Euro-Krise um Athen dramatischer ist als bislang zugegeben.

SPD und Grüne sprachen deshalb von Verschleierungstaktik. Die Unterlagen zum zweiten Griechenland-Paket seien unvollständig, kritisierten die haushaltspolitischen Sprecher Carsten Schneider (SPD) und Priska Hinz (Grüne). Dass eine Staatspleite Griechenlands denkbar sein muss, glaubt auch Wirtschaftsminister Philipp Rösler. Er hat bereits den Begriff einer "kontrollierten Insolvenz" geprägt.