CSU-Chef Horst Seehofer und sein Vorgänger Edmund Stoiber übertreffen sich am Aschermittwoch in staatstragender Seriosität.

Passau. Anfangs scheint alles so wie immer. Die Passauer Stadtkapelle spielt in Endlosschleife den Bayerischen Defiliermarsch - und es defilieren: die Granden der CSU. Doch die Spitze der Partei scheint nur aus zwei Herren zu bestehen, dem bayerischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer und seinem Vorgänger Edmund Stoiber. Eindrucksvoll schwenkt eine Saalkamera immer wieder über den Mittelgang der Passauer Dreiländerhalle, auf dem sich Besucher des 60. Politischen Aschermittwochs der CSU drängen. Die Halle ist brechend voll. Viele Hundert müssen stehen, rund 3500 sitzen auf Bierbänken vor Krügen, Spezi, Käse- und Fischsemmeln. Von oben erkennt man Seehofer und Stoiber an ihren weißen Haaren, die von gegelten Sicherheitsbeamten gerahmt werden. Seehofers Frau Karin hat Mühe, an ihrem Mann dranzubleiben.

Es ist also doch nicht wie immer. Das Aufgebot an Sicherheit ist zu gewaltig. Hier kommt das amtierende Staatsoberhaupt, in Amt und Würden seit dem Rücktritt von Christian Wulff bis zur Wahl am 18. März. "Hoffentlich hält sich der Seehofer nicht allzu sehr zurück. Aber es gibt ja auch noch den Stoiber. Von dem sind wir große Fans." Die CSU-Anhänger, die sich aus der niederbayerischen Gemeinde Hutthurm schon zum 15. Mal zum Aschermittwoch aufgemacht haben, werden enttäuscht. Horst Seehofer hält sich zurück. Und sein "Ersatz" will sich nicht als Ergänzung präsentieren. Edmund Stoiber überhöht die staatstragende Rede Seehofers noch - und widerspricht ihm sogar.

Als Staatsoberhaupt fühlte sich Horst Seehofer nicht frei zu sagen, was er geplant hatte. Einige zündend klare Sätze zu Griechenland hätte er vorgesehen. Ein Volksentscheid zum Euro hätte eine Rolle gespielt. Schließlich wäre der Aschermittwoch als Angriff auf seinen Herausforderer bei der Landtagswahl 2013, den Münchner Oberbürgermeister Christian Ude (SPD), gedacht gewesen. In den zurückliegenden Wochen hatte Seehofer bei diesen Themen Erwartungen aufgebaut, Druck im Kessel erzeugt, von dem er am Aschermittwoch den Deckel heben wollte.

Doch nun fällt der Name Ude nicht einmal, Griechenland wird nicht gescholten, der Volksentscheid als Bürgerrecht nicht beschworen. Erst im Abspann, nach den Reden von Seehofer und Stoiber, wird CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt dem Aschermittwoch geben, was des Aschermittwochs ist: gegen Ude holzen, SPD-Chef Gabriel als übergewichtig und unterbegabt bezeichnen und eine Überwachung der gesamten Linken fordern. Da entweicht der Druck.

Seehofer lobt vor allem die CSU, Bayern und die Bayern und - sich selbst. "Ich bin 32 Jahre gefangen von der Faszination der Politik", sagt er und wechselt, vielleicht um das Eigenlob zu kaschieren, in die dritte Person: "Man glaubt gar nicht, was man schon alles machen durfte." Ans Ende der folgenden Ämteraufzählung stellt er seine Funktion als "kommissarischer Bundespräsident". Während die Menge jubelt, grinst Seehofer stolz, richtet sich auf und atmet tief durch. Dann wird er übermütig: "Für einen, der angeblich nicht weiß, was er will, eine ganz schöne Karriere. Es fehlt nur noch ein Amt von Bedeutung, aber dazu habe ich noch genug Zeit, liebe Freunde." Will Seehofer noch Bundeskanzler werden? Vor zwei Jahren sagte er, es gebe für ihn kein "weiteres Treppchen mehr". Aber das hat ja nun die Gegenwart widerlegt.

Abgesehen von diesen Passagen hält Seehofer eine Rede, die stark an die vom Parteitag im Oktober erinnert, inhaltlich programmatisch, aber ohne ganz neue Impulse. Es ist bekannt, dass Bayern bis 2030 schuldenfrei werden, den Länderfinanzausgleich ändern und "Chancen, nicht Schulden vererben" will. Seehofer verteidigt das Betreuungsgeld und lobt die Kanzlerin, "die ich sehr schätze".

Schnell ebbt der Applaus nach dem Finale ab. Ganze Tische im Saal bleiben sitzen. Als Ministerpräsident hat Seehofer überzeugt, als CSU-Chef nicht. Der Respekt davor, falsch verstanden zu werden oder unschöne Sätze zu prägen, die als Beitrag der einzigen Amtszeit eines CSU-Politikers als Bundespräsident überdauern, war zu groß.

Es kommt ja noch Stoiber. Während für Seehofer noch geklatscht wird, skandieren ihn "Edmund, Edmund"-Chöre herbei. Aber Stoiber spielt nicht recht mit. Irritiert sei er gewesen, sagt er, als er von dem Ansinnen der Parteiführung gehört habe, er solle sprechen. Irritiert? Aus dem Umfeld Stoibers heißt es, er sei stocksauer gewesen, davon aus den Medien zu erfahren. Nicht wenige gucken betreten, als er ergänzt: "Ich werde mich nicht mit den anderen beschäftigen, ich werde mich mit der Zukunft beschäftigen." Also schont auch Stoiber Ude, die SPD und all die anderen Parteien. Stoiber kommt als Staatsmann und macht dem Staatsoberhaupt Konkurrenz.

Die Zukunft beginnt für Stoiber weit in der Vergangenheit. Er erinnert an seinen ersten Auftritt beim Aschermittwoch 1979 und arbeitet sich dann an den Themen ab, die schon Seehofer beschäftigt haben: die Exzellenz Bayerns im deutschen Ländervergleich vor allem in den Bereichen Finanzen und Bildung, er verteidigt ebenfalls das Betreuungsgeld und lobt Angela Merkel: "Sie macht das hervorragend." Schließlich spart auch er nicht mit Lob für sich selbst. Schon 1999 habe er Joachim Gauck für das Amt des Bundespräsidenten vorgeschlagen. "Man kann auch mit dem zweiten Aufschlag ein Ass verwandeln", sagt er.

Am Ende landet Stoiber beim Euro. Eindringlich warnt er vor den Folgen eines Ausstiegs Griechenlands aus der Euro-Zone: "Das kommt mir zu wenig vor." Noch am Tag, bevor die Rolle des Staatsoberhaupts ihn ereilte, hatte Seehofer dagegen den Griechen einen Austritt nahegelegt. Stoiber sieht das offensichtlich anders.

Trotz solcher Töne: Stoiber hat seinen Nachfolger nicht in den Schatten gestellt. Hochrangige CSU-Politiker hatten die Angst geäußert, er könnte zu sehr die Sehnsucht nach der Vergangenheit befeuern. Es kam nicht so. "Stoiber Superstar, Seehofer wunderbar" hatte die Junge Union auf Plakate drucken lassen. Es war nicht die einzige Variante, die sie verteilte. Auf der anderen war Seehofer der Superstar. Seehofer oder Stoiber, bei diesem Aschermittwoch machte das wirklich keinen großen Unterschied.

SPD- und FDP-Spitzenkräfte nutzten den Aschermittwoch für deftigere Reden in Bayern. Den Zustand der Koalition bezeichnete Sigmar Gabriel nach dem Streit über die Präsidentennachfolge als verheerend. "Auf dem Schlachtfeld der Koalition sieht es finster aus: Verletzungen, Kollateralschäden, Drohungen, gärendes Misstrauen", sagte der SPD-Chef in Vilshofen. "Bei denen ist wirklich Aschermittwochsstimmung." Nach der Entscheidung für einen besseren Präsidenten sei es nun auch an der Zeit für einen besseren Kanzler. Zur Euro-Politik der Kanzlerin sagte er, notwendig sei keine "marktkonforme Demokratie", sondern ein "demokratiekonformer Markt".

Heftig ging Christian Ude mit seinem Konkurrenten Horst Seehofer ins Gericht. Der Landtagsspitzenkandidat der SPD rief: "Es ist ein ganz normaler demokratischer Vorgang, wenn man sich gegenseitig in Pension schickt - das mache ich jetzt auch."

Der FDP-Vorsitzende Philipp Rösler nutzte seinen Auftritt in Dingolfing dazu, die Nominierung Gaucks als Erfolg für seine Partei zu feiern. Die Diskussion um Wulff sei quälend gewesen, der DDR-Bürgerrechtler könne nun dem Amt die Würde wiedergeben. Unter lautstarkem Applaus verteidigte Rösler die Entscheidung, Gauck auf Kosten des Koalitionsfriedens durchzusetzen: "Wenn man uns droht, werden wir noch größer." Die FDP könne zwar eine Wahl verlieren, dürfe aber nie ihre Überzeugung verraten. "Wir sind nicht zum Scheitern verurteilt", zitierte Rösler aus Gaucks Buch "Freiheit". Zudem kritisierte er die Kanzlerkandidatensuche in der SPD: "Manche nennen Gabriel, Steinmeier und Steinbrück die scheinheiligen Dreikönige - ich sage, das sind die Lehman-Brothers der deutschen Sozialdemokratie."