Auch Hamburger Unternehmen wollen sich an Schweigeminute beteiligen

Hamburg. Wenn Deutschland morgen mit einer großen Veranstaltung der Opfer rechtsextremer Gewalt gedenkt, wird Semiya Simsek am Pult auf dem Gendarmenmarkt in Berlin stehen und eine Rede halten. Sie ist die Tochter des türkischen Blumenhändlers Enver Simsek. Er wurde am 9. September 2000 in Nürnberg erschossen - mutmaßlich von der rechtsterroristischen Gruppe Nationalsozialistischer Untergrund, NSU, aus rassistischen Motiven. Unter den 1200 Gästen vor Semiya Simsek werden morgen auch Vertreter des Verfassungsschutzes und der Polizei sitzen. Gegen sie hatte Simsek schwere Vorwürfe erhoben: "Jahrelang hat die Polizei versucht, etwas aus uns herauszubekommen, was nicht da war", sagte sie kürzlich dem "Tagesspiegel". "Man hat uns vorgeworfen, wir würden schweigen, weil wir Türken sind. Man hat uns auch nicht geglaubt, weil wir Türken sind."

Die Mordserie der Neonazis, und vor allem die Pannen und mögliche Vertuschungen des Verfassungsschutzes bei der Verfolgung der Verbrecher, habe bei vielen Opfern rechtsextremer Gewalt und auch bei vielen Zuwanderern Misstrauen gegenüber den Behörden und der Politik hinterlassen, sagt Kazim Abaci, der als Geschäftsführer des Vereins "Unternehmer ohne Grenzen" auch nach Berlin eingeladen ist. "Die Gedenkveranstaltung ist ein wichtiger Schritt zur Aussöhnung", hebt Abaci hervor. Doch um eine Versöhnung wirklich zu erreichen, brauche es eine vollständige Aufklärung der Mordserie. Und es müsse "endlich jemand die politische Verantwortung für die Pannen des Verfassungsschutzes" übernehmen. Es könne nicht sein, dass es noch keine Rücktritte oder öffentlichen Erklärungen gegeben habe "Das ist ein Armutszeugnis der deutschen Politik", kritisiert Abaci, der auch für die SPD in der Hamburger Bürgerschaft sitzt.

Bei der Veranstaltung in Berlin wird der zehn Mordopfer gedacht, aber auch der Verletzten der Kölner Sprengstoffanschläge 2004 und aller anderen Opfer rechtsextremer Gewalt. Neben Angehörigen der Opfer und den Spitzen des Staates werden zahlreiche Ministerpräsidenten und Vertreter der Bundesländer anwesend sein sowie engagierte Vereine und Schulklassen. Nach dem Rücktritt von Bundespräsident Christian Wulff wird Kanzlerin Angela Merkel die Ansprache halten.

In Hamburger Unternehmen und Betrieben soll morgen ebenfalls in einer Schweigeminute der Opfer rechtsextremer Gewalt gedacht werden. Auch im Rathaus der Hansestadt wollen Vertreter der Bürgerschaft um 12 Uhr an der bundesweiten Aktion teilnehmen.