Bei der Präsidentenwahl ist ein klarer Schnitt nötig

Endlich ist es vorbei, dieses unwürdige Hin und Her von relevanten und lächerlichen Enthüllungen, von Peinlichkeiten und Entschuldigungen, von Schönredner- und Schlimmdebattierereien. Dass uns die Diskussion um die höchste Position im Staat künftig (hoffentlich) erspart bleibt, ist die eine gute Nachricht am Ende der Causa Wulff. Die andere ist, dass demokratische Kontrolle und rechtsstaatliche Prinzipien in unserem Land tatsächlich ohne Ansehen der Person greifen - wobei das, wer will, auch doppeldeutig verstehen kann.

Ansonsten gibt es trotz Rücktritts fast nur Verlierer. Christian Wulff, der vor den Trümmern einer bis dahin eindrucksvollen politischen Karriere steht. Angela Merkel, die bei der Auswahl ihrer Bundespräsidenten zweimal kein Glück hatte. Und, vor allem, das Amt des Bundespräsidenten, einst Garant für Verlässlichkeit und Glaubwürdigkeit, letzte und beliebteste politische Instanz.

Wenig bis nichts ist davon übrig, nach zwei Rücktritten in zwei Jahren, und wahrscheinlich würde sich bei Umfragen eine Mehrheit dafür finden, auf das Staatsoberhaupt am besten gleich zu verzichten. Das ist traurig, weil im Bundespräsidenten lange der reine Glaube an die Politik weiterlebte: Amtsträger wie Richard von Weizsäcker und Roman Herzog gehören bis heute zu den angesehensten Persönlichkeiten der Republik.

Vorbei. Wenn Angela Merkels CDU und die anderen großen Parteien im Bundestag heute die Suche nach einem Nachfolger für Wulff aufnehmen, beginnen sie bei null. Die Würde des Amtes ist so schwer beschädigt, dass man sie auf herkömmliche Weise nicht wird wiederherstellen können. Es braucht einen klaren Schnitt und einen Kandidaten, der sich maximal von seinem Vorgänger unterscheidet. Das heißt vor allem: Ins Schloss Bellevue muss diesmal eine Frau einziehen. Damit werden erstens Vergleiche mit Wulff und Co. per se schwieriger, erledigt sich zweitens die zuweilen schwierige Diskussion über die Rolle der First Lady und wird drittens dem Amt eine echte neue Chance gegeben. Ganz abgesehen davon, dass es überfällig ist, auch an der Spitze des Landes die Alleinherrschaft der Männer zu brechen. Wenn nicht jetzt, wann dann?

Und die Ära Wulff? Sie wird am Ende trotz kurzer Dauer und etlicher Patzer nachwirken. Das (schlechte) Beispiel des Bundespräsidenten hat bereits jetzt die politische Kultur verändert. Die Akteure der Macht sind vorsichtiger geworden, was ihr Zusammenspiel, was Geschenke und Einladungen, was die Verknüpfung von persönlichen und beruflichen Kontakten angeht. Die Zeit der roten Teppiche, des Glamours und vor allem die Zeit der Poser ist sowieso vorbei. Die Zukunft gehört ordentlichen und sachvertrauten, eher nüchtern wirkenden Politikern vom Typ eines Thomas de Maizière, eines Wolfgang Schäuble oder eines Olaf Scholz. Die in diese Reihe passende Frau gilt es jetzt für das Schloss Bellevue zu finden.