In der SPD und der CDU starten unzufriedene Gruppen Gegeninitiativen zum Kurs der Parteispitze und sorgen damit für Unruhe.

Berlin. Die Stimmung in der CDU war in jüngster Zeit auffallend gereizt. Die Gründung des " Berliner Kreises " beschäftigte die Partei. Einige Bundestagsabgeordnete und Unions-Politiker aus den Ländern hatten sich zusammengefunden, um den konservativen Geist innerhalb der Partei zu stärken.

Schuld war der Modernisierungskurs von Chefin Angela Merkel. Unter ihrer Führung hat sich die CDU thematisch und ideologisch befreit. Die Programmatik der Kanzlerin erlaubte den Atomausstieg, die Abkehr von der Wehrpflicht und die Absage an das über Jahrzehnte leidenschaftlich verteidigte dreigliedrige Schulsystem. Mittlerweile öffnet sich Merkels Pragmatismus dem Mindestlohn und der Frauenquote in der Wirtschaft.

Die Kritiker dieses Kurses konnten zuletzt kaum noch Einfluss auf die Parteispitze nehmen. Und sie berufen sich auf eine angeblich verunsicherte Basis, die nicht mehr wisse, für welche Prinzipien die CDU stünde.

In der Parteispitze kam die kleine Revolte der Konservativen gar nicht gut an. Es wurde gestritten, Unsicherheit und Argwohn machten sich in den Gremien breit. Würde sich eine neue, fest gefügte Institution innerhalb der Partei bilden? Finanzminister Wolfgang Schäuble soll im Präsidium gesagt haben, wenn der Berliner Kreis eine feste Form erhalte, also etwa einen Geschäftsführer einsetze, sei für ihn eine rote Linie überschritten. Es hieß, dass der hessische CDU-Fraktionsvorsitzende und Wortführer des Kreises, Christean Wagner, einen Geldgeber aus der Industrie habe, der den Aufbau von Strukturen unterstützen würde.

Zugleich bekannten sich mehrere bekannte Unions-Bundestagsabgeordnete zum Berliner Kreis, neben dem Innenexperten Wolfgang Bosbach hatten sich auch die Vertriebenen-Politikerin Erika Steinbach, Brandenburgs Ex-Innenminister Jörg Schönbohm und der Mittelstandsexperte Christian von Stetten angeschlossen.

Heute trifft sich CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe erstmals mit der Gruppe. Von einem "internen Gedankenaustausch" ist die Rede, der auch dafür da sei, Trennendes und Gemeinsames festzustellen. Der Parteispitze geht es auch um die Frage: Wie gefährlich kann der Berliner Kreis der CDU-Führung um Merkel werden?

Eine ähnliche Frage muss man sich derzeit auch in der SPD stellen. Denn auch bei der anderen großen Volkspartei stemmt sich gerade ein Teil der Mitglieder gegen den Kurs der Spitze - nur zwei Monate nach dem Parteitag. Der "Spiegel" berichtete, Hilde Mattheis, die Chefin des Forums Demokratische Linke 21, habe angekündigt, "Bausteine für ein linkes Regierungsprogramm" zu erarbeiten. "Wir wollen das Rentenniveau auf dem heutigen Stand halten, es darf nicht weiter abgesenkt werden", sagte Mattheis dem Magazin. "Dafür werden wir als Parteilinke kämpfen."

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Die Sozialdemokraten hatten unter Rot-Grün mit ihrer Rentenreform allerdings dafür gesorgt, dass das Niveau der Bezüge nach und nach gesenkt wird, um die Folgen der demografischen Entwicklung aufzufangen. Gesetzlich ist bis 2030 eine Absenkung von derzeit mehr als 50 auf 43 Prozent vorgesehen - gemessen am Einkommen während der Berufstätigkeit.

Und auch die Reichensteuer bringt Mattheis noch einmal auf den Tisch: Im vergangenen Jahr war die Parteilinke mit ihren Plänen gescheitert, Jahreseinkommen von mehr 125 000 Euro mit einem Zuschlag von drei Prozentpunkten auf den Spitzensteuersatz zu belasten - also mit insgesamt 52 Prozent. Jetzt hat Mattheis die Grenze auf 250 000 Euro erhöht und fordert damit erneut die Parteiführung heraus. Die dürfte über den Affront von links nur wenig erfreut sein. Im Willy-Brandt-Haus sucht man - die Wahl 2013 fest im Blick - ohnehin vor allem nach Geschlossenheit und klaren Themen, um beim Wähler zu punkten.

Auch Merkel, heißt es, sei über die Formierung der Konservativen in den eigenen Reihen nicht gerade erfreut. Vielleicht ein Grund dafür, warum der Berliner Kreis weder eine Mitgliederliste veröffentlicht noch einen offiziellen Sprecher benannt hat. Nur wenige haben kein Problem damit, offen in Zusammenhang mit der Gruppe genannt zu werden. Die bekennende Konservative Steinbach dagegen sagte zuletzt unverblümt: "Die CDU-Führung sollte sich über unser Engagement freuen. Wir sind das Herz der Union." Steinbach - ohnehin als streitbar bekannt - beschwerte sich über Fraktionschef Kauder, der einmal betont hatte, die CDU sei keine konservative Partei: "Wir sind nicht nur, aber wir sind auch konservativ", stellte sie klar.

Bei der SPD ist eine Reaktion der Spitze bislang ausgeblieben. Ernst Dieter Rossmann, Sprecher der Parlamentarischen Linken, ebenfalls eine Gruppe des linken Flügels der Partei, nannte es "völlig in Ordnung, wenn verschiedene Strömungen sich inhaltlich in die Parteiprogrammatik einbringen". Das sei nicht gegen die Parteispitze gerichtet, sagte er dem Abendblatt. "Natürlich haben wir bei den Steuern und Renten eine gemeinsame Beschlussfassung. Es muss aber eine Selbstverständlichkeit sein, dass es eine Weiterentwicklung von Vorschlägen und kein Innehalten des Denkprozesses gibt."