HVV unterstützt politischen Vorstoß. Bundesverband beklagt neue Facebook-Masche

Hamburg/Berlin. Schwarzfahrer in Bussen und Bahnen sollen künftig deutlich höhere Strafen zahlen. Statt bislang 40 müssten es 60 Euro sein, für Wiederholungstäter sogar 120 Euro, verlangte gestern der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV), dem auch der Hamburger Verkehrs-Verbund (HVV) angehört.

"Wir unterstützen den Vorstoß", sagte Matthias Wiarda, Leiter Tarif und Verbände beim HVV, dem Abendblatt. "Die höhere Strafe würde helfen, die Schwarzfahrerquote zu senken, einfach weil die Abschreckung höher ist." In Gesprächen mit Ländern und Bund soll jetzt versucht werden, über den Bundesrat eine Gesetzesänderung durchzusetzen. "Die Politik muss wach werden", sagte der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands, Oliver Wolff.

Allein dem HVV entgehen durch Schwarzfahrer pro Jahr Einnahmen von schätzungsweise 20 Millionen Euro. Geschätzt 3,5 Prozent der Passagiere fahren ohne Ticket. Bundesweit geht man von Verlusten bis zu 250 Millionen Euro aus. Dazu kommen Ausgaben von 100 Millionen Euro für Kontrolleure. "Die Zeche dafür zahlen am Ende die ehrlichen Kunden durch höhere Fahrpreise", sagte Wolff. Inzwischen verständigten sich notorische "Beförderungserschleicher" sogar über Internet-Netzwerke wie Facebook, in welchen Zügen oder Bussen die Kontrolleure gerade im Einsatz sind. Das sei "bandenmäßiges Schwarzfahren" und strafbar, sagte Wolff.

Seit einem Jahr versucht der HVV unter anderem mit dem Konzept "Einstieg vorn" das Schwarzfahren zu verhindern. Dabei müssen zunächst versuchsweise in den Bezirken Harburg und Bergedorf die Busfahrgäste vorn einsteigen und ihre Fahrkarte vorzeigen. Tatsächlich gelang es, den Schwarzfahreranteil in Bergedorf von 4,8 auf 1,9 Prozent und in Harburg von 6,6 auf 1,7 Prozent zu senken. Dies bedeutete zwei Millionen Euro mehr an Einnahmen. Aufgrund dieser Erfolge soll das Konzept von April 2012 an in ganz Hamburg gelten. Zusätzlich schickt der HVV 50 Prozent mehr Kontrolleure in Busse und Bahnen. Angepeilt wird so ein Plus von bis zu sechs Millionen Euro in der Kasse.

Hamburgs Politiker reagierten skeptisch auf den Vorstoß der Verkehrsverbände. "Ich bezweifle, dass höhere Strafen wirkungsvoller sind", sagte SPD-Verkehrspolitikerin Martina Koeppen. Sie wolle zunächst abwarten, ob sich der "Einstieg vorn" hamburgweit bewährt, bevor sie über höhere Strafen nachdenke: "40 Euro sind auch abschreckend."

Der CDU-Experte Klaus-Peter Hesse sieht es ähnlich: "Die Motivation muss sein, den Anteil der Schwarzfahrer zu senken, statt sie stärker zu kriminalisieren." Statt für höhere Strafen plädiert er für eine höhere Kontrolldichte, zum Beispiel durch das neue System "Einstieg vorn" sowie ein transparenteres Tarifsystem.

Die Linkspartei ist kategorisch gegen höhere Strafen. "Keiner fährt schwarz, weil es ihm Spaß macht", sagte Heike Sudmann. "Es ist die finanzielle Not, die den Großteil der Schwarzfahrer dazu treibt." Sie verwies darauf, dass 2009 aufgrund des Delikts "Beförderungserschleichung" sogar 623 Personen Gefängnisstrafen verbüßten - wobei ein Tag Haft die Steuerzahler gut 140 Euro kostet.