Andreas Köhler, Chef der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, bekommt für sein stattliches Gehaltsplus jetzt Kritik von allen Seiten.

Hamburg/Berlin. Gut 100.000 Euro verdient ein Hamburger Hausarzt pro Jahr nach Abzug der Kosten für Praxis und Personal. 85.000 Euro davon kommen von der gesetzlichen Krankenversicherung, der Rest von Privatpatienten. Das ist ein ansehnliches Einkommen - und doch kocht bei den Allgemeinmedizinern und ihren Fachkollegen quer durch Deutschland eine spezielle Wut hoch: gegen die eigene Standesvertretung. Gerade erst haben sich Hamburgs Hausärzte mit einem Klagebrief an Gesundheitssenatorin Cornelia Prüfer-Storcks (SPD) gewandt, um gegen die Ungerechtigkeit zu protestieren, dass sie im Vergleich zu anderen Bundesländern deutlich am unteren Ende der Einkommensskala liegen. Und nun wird eine beispiellose Gehaltssteigerung beim wichtigsten deutschen Ärztelobbyisten publik. Dem Chef der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Andreas Köhler, wurde ein Sprung von 260.000 auf 350.000 Euro Jahressalär bewilligt. Köhler verhandelt mit Kassen und Politik über Honorare und Verträge für alle niedergelassenen Ärzte zwischen Flensburg und Garmisch, die KBV muss eine flächendeckende Versorgung gewährleisten. Bezahlt werden die Funktionäre von den Ärzten. Die Aufsicht über die Körperschaft öffentlichen Rechts haben die Bundes- und Länderminister.

Köhlers Gehaltsplus ruft Fassungslosigkeit hervor. "Die Vertreter müssen aufpassen, dass nicht das Bild des raffgierigen Funktionärs entsteht", sagt die Grünen-Gesundheitsexpertin Birgitt Bender. Sie forderte ein Einschreiten von Gesundheitsminister Daniel Bahr (FDP). Der soll den Ärzten eine Frist gesetzt haben, um bis zum 9. März die Verträge mit den Vorständen nachzubessern. Laut "Bild"-Zeitung forderte er die KBV-Vertreterversammlung am vergangenen Freitag schriftlich auf, die Verträge, in denen das Jahresgehalt Köhlers aufgestockt wurde, bis zu diesem Termin nachzubessern. Laut "Bild" will der Minister, dass der Zuschlag gestrichen wird. Bahr werde "in dieser Frage nicht nachgeben", heiße es in Regierungskreisen. Das Ministerium muss das Gehalt in einem aufsichtsrechtlichen Verfahren bestätigen und kann notfalls eine Anweisung geben.

Ärzte und Funktionäre wettern hinter vorgehaltener Hand gegen eine "Selbstbedienungsmentalität". Die Ärztevertreter selbst haben aber Köhlers Vertrag gebilligt. Ein Vorstandschef einer großen Krankenkasse verdient zwischen 250.000 und 300.000 Euro im Jahr. Die Veröffentlichung der Bezüge der Kassenchefs im Bundesgesetzblatt war zu Zeiten von Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) ein Feiertag für den Volkszorn. Schmidt mahnte die Kassenfürsten, bei steigenden Kosten im Gesundheitswesen die Verhältnismäßigkeit zu wahren. Häuser wie die Barmer GEK, die Techniker und die DAK Gesundheit haben aber nicht nur Verantwortung für Millionen Versicherte, sondern auch für Tausende Mitarbeiter. Verglichen mit Vorstandsgehältern aus der Industrie nehmen sich die Kassengehälter maßvoll aus.

Ähnlich bei den Medizin-Funktionären: In Hamburg beziehen die KV-Vorsitzenden Dieter Bollmann und Walter Plassmann nach Aufstellungen des Ärzteblattes rund 192.000 und 186.000 Euro im Jahr plus Boni. "Für den hohen Arbeitsaufwand und die Verantwortung ein angemessenes Gehalt", sagte ein Personalberater dem Abendblatt. In Bayern und Niedersachsen ist die Vergütung der Bollmann-Kollegen um einige Zehntausend Euro höher.

Für Gesundheitsminister Bahr ist der Fall Köhler heikel. Die groß angelegte Gesundheitsreform, mit der die FDP in den Bundestagswahlkampf 2009 posaunt war, ist als Kleinkorrektur am Beitragssatz quasi unerhört geblieben. Und die 150.000 niedergelassenen Ärzte Deutschlands waren bislang eine verlässliche FDP-Klientel. Mit Blick auf die Fünfprozenthürde bei den nächsten Wahlen wird von Bahr Fingerspitzengefühl erwartet.