Fast 40 Prozent mehr Klagen im vergangenen Jahr

Erfurt. Die Zahl der Beschäftigten in Deutschland steigt, zugleich wächst aber auch die Zahl der Konflikte zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern, die vor Gericht ausgetragen werden. Dem Bundesarbeitsgericht (BAG) in Erfurt hat das 2011 ein Rekordjahr beschert. Im vergangenen Jahr stieg die Zahl der eingegangenen Fälle sprunghaft um 38,4 Prozent auf 3421. Noch nie in der über 50-jährigen Geschichte des Gerichts habe es mehr neue Fälle gegeben, sagte dessen Präsidentin Ingrid Schmidt. "Die Bereitschaft zur gütlichen Einigung und Bereinigung von Konflikten nimmt ab." Zudem beobachtet die Juristin einen zunehmenden "Drang, Bundesgerichte entscheiden zu lassen". Schmidt begründete die Verfahrensflut auch mit der ständigen "Neujustierung des Arbeitsrechts" durch EU-Regelungen.

In einer Vielzahl von Verfahren geht es um Ruhegelder und Altersteilzeit sowie um Kündigungsschutz. Aber auch Fälle von Altersdiskriminierung rücken zunehmend in den Blick der Bundesrichter, die mit ihrer Rechtsprechung die Arbeits- und Tarifverträge Hunderttausender Arbeitnehmer beeinflussen können. Um annähernd 50 Prozent habe sich 2011 die Zahl der Nichtzulassungsbeschwerden erhöht - das sind Fälle, bei denen die Landesarbeitsgerichte eine Revision beim Bundesarbeitsgericht nicht zulassen wollten. Die Fülle der Verfahren führte nach Angaben der BAG-Präsidentin nicht dazu, dass weniger erledigt wurde. Die Zahl der abgeschlossenen Fälle sei 2011 um 198 auf 2832 gestiegen.

Im Schnitt beträgt die Verfahrensdauer beim BAG mit seinen zehn Senaten und 35 Richtern sieben Monate. Die Erfolgsquote der Kläger liegt bei den Sachentscheidungen bei 27,5 Prozent, bei Nichtzulassungsbeschwerden allerdings nur bei 8,8 Prozent.

"Die Lage wird sich sicher 2012 nicht entspannen", prognostizierte Schmidt. In diesem Jahr werde das BAG sich unter anderem damit befassen, ob Regelungen, nach denen ältere Arbeitnehmer mehr Urlaub erhalten als jüngere, mit dem Verbot der Altersdiskriminierung vereinbar sind. In einem Fall, der verhandelt werden soll, erhalten Arbeitnehmer ab dem 40. Lebensjahr einen Tag mehr Urlaub. Nach und nach würden alle altersbezogenen Regelungen in Tarif- und Arbeitsverträgen auf den Prüfstand kommen, sagte die Gerichtspräsidentin. Zudem werden sich die Bundesrichter mit dem Arbeitsrecht in den Kirchen befassen Es gehe um die rechtliche Bewertung von Arbeitskämpfen in kirchlichen Einrichtungen, kündigte Schmidt an.