Justizministerin will Überwachung einschränken, Polizei beklagt Hindernisse

Berlin. Wie viel Überwachung darf sein? Eine neue Studie zur Wirksamkeit der Vorratsdatenspeicherung heizt den Koalitionsstreit um Strafverfolgung und Datenschutz erneut an. Das von Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) in Auftrag gegebene Gutachten kommt zu dem Ergebnis, dass die Vorratsdatenspeicherung die Aufklärungsquote von Straftaten nicht beeinflusst. "Wir glauben daher, dass das Gutachten unsere Position stärkt, wonach man Daten dann erheben soll, wenn es einen konkreten Verdacht gibt", sagte der Justizstaatssekretär Max Stadler (FDP).

Doch was die FDP für wissenschaftlich untermauert hält, lehnen Union und Polizeibehörden ab. Ein Sprecher von Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) zeigte sich verwundert über das Gutachten des Freiburger Max-Planck-Instituts für ausländisches und internationales Strafrecht. Die Studie habe für das Innenministerium keinerlei Relevanz, sagte er. Erst am Freitagmorgen habe das Innenressort von dem Gutachten erfahren. Nach erster Durchsicht zeige sich eine "sehr unsichere empirische Faktenbasis", die das Gutachten insgesamt infrage stelle.

Die Justizministerin lehnt eine anlasslose Speicherung von Telekommunikations- und Internetdaten ab. Der Innenminister nennt einen Zugriff auf Vorratsdaten für Sicherheitsbehörden sehr wichtig. Das Bundesverfassungsgericht hatte die Vorratsdatenspeicherung im Jahr 2010 gekippt. Für eine Neuregelung ist Leutheusser-Schnarrenberger zuständig. Sie will die Daten nur nach konkretem Anlass speichern lassen, damit sie Ermittlern bei Bedarf zur Verfügung stehen ("Quick Freeze").

Für die Studie werteten die Wissenschaftler Daten zu bestimmten Kriminalitätsbereichen aus und verglichen die Lage in Deutschland mit der in anderen Ländern mit einer Vorratsdatenspeicherung. Einen Einfluss der Vorratsdatenspeicherung auf die Aufklärungsquote sahen sie nicht. Die Autoren der Studie verweisen darauf, dass ihr Ergebnis nur eine "Momentaufnahme" sei. Justizstaatssekretär Stadler sagte: "Die Studie zeigt, dass die Notwendigkeit der Vorratsdatenspeicherung nicht empirisch belegt, sondern nur ein Gefühl der Praktiker ist."

Innenminister Friedrich ließ erklären, wenn Täter elektronisch kommunizierten, ließen sie sich ohne Vorratsdaten nicht ermitteln. Deshalb bräuchten die Ermittler die IP-Adressen der Computer oder eine Telefonnummer. Jedoch seien diese Daten bei den Internet-Providern oft bereits gelöscht, wenn die Sicherheitsbehörden die Ermittlungen aufnähmen. BKA-Präsident Jörg Ziercke hat im Zusammenhang mit den Ermittlungen zur Zwickauer Neonazi-Gruppe NSU das Fehlen der Vorratsdatenspeicherung beklagt. Gäbe es sie, hätte man ab der Identifizierung der drei NSU-Mitglieder für sechs Monate rückwirkend deren Kommunikation überprüfen können, so Ziercke.