Kanzlerin Merkel bekommt in Davos viele Ratschläge: Weltbank-Präsident fordert Führungsrolle, die Investorenlegende Soros beschimpft Berlin.

Davos. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat bei der Lösung der Euro-Schuldenkrise vor einer Überforderung Deutschlands gewarnt. Europas führende Volkswirtschaft sei zwar relativ groß und stark. Aber "wenn Deutschland, stellvertretend für alle europäischen Länder, etwas verspricht, was bei harter Attacke der Märkte nicht einlösbar ist, dann hat Europa eine ganz offene Flanke", sagte Merkel gestern in Davos bei der Eröffnung des Weltwirtschaftsforums.

Es habe keinen Sinn, eine Verdoppelung oder Verdreifachung der Euro-Hilfen zu fordern. "Ich frage mich immer, wie lange ist das glaubwürdig." Der geplante Fiskalpakt werde nicht der letzte Schritt zu einer stärkeren Integration in Europa sein. "Wir sind bereit für mehr Verbindlichkeit. Wir reden uns nicht mehr heraus."

Merkel wies Forderungen von EU-Partnern zurück, Deutschland müsse mehr zum Abbau der wirtschaftlichen Ungleichgewichte beitragen. Sie wisse, dass es diese Spannungen im Euro-Raum gebe. Es dürfe bei der Wettbewerbsfähigkeit aber keine Gleichmacherei ohne Ambitionen geben. Man sollte dem Besten in Europa nacheifern.

In der Euro-Krise hat sich nach den Worten Merkels gezeigt, dass es Europa an politischen Strukturen mangelt. So müssten die Staaten "bereit sein, mehr Kompetenzen an Europa abzugeben". "Genauso wichtig wie Austeritätsmaßnahmen sind Strukturmaßnahmen, die zu mehr Arbeitsplätzen führen werden. Es ist jetzt ganz wichtig, dass wir den Atem haben, die Reformen auch wirken zu lassen, und nicht auf halbem Weg umkehren", sagte Merkel.

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"Wir sind in Europa an einem Punkt angelangt, wo Außenpolitik in Innenpolitik übergeht", sagte die Kanzlerin. Die Verletzung der Abkommen zur Stabilität des Euro in der Vergangenheit habe zu einem Vertrauensverlust geführt. Deshalb sei die eigentliche Botschaft des Fiskalpakts: "Wir sind bereit für mehr Verbindlichkeit. Wir reden uns nicht mehr raus." Enttäuscht zeigte sich Merkel auch darüber, dass die weltweite Einführung einer Finanztransaktionssteuer zur Beteiligung der Banken an den Krisenkosten nicht geglückt sei. Dies wäre "ein starkes politisches Signal" an alle Bürger gewesen.

Ebenso enttäuscht zeigte sich Investorenlegende George Soros über das von Deutschland geführte Euro-Krisenmanagement. Die Rolle Merkels und ihrer Regierung griff er scharf an. "Deutschland diktiert eine Politik, die in eine Schuldenspirale mit deflationären Folgen führt", sagte Soros in Davos. Er frage sich, wann sich die Erkenntnis durchsetze, "dass die Währungsunion auf einem selbstzerstörerischen Kurs ist". Als Weg aus der Krise schlug Soros vor, Problemstaaten wie Griechenland nicht nur zu strikter Haushaltsdisziplin zu zwingen. "Sie brauchen zudem einen Stimulus, der eine Deflationsspirale verhindert." Solche Anstöße für Wirtschaftswachstum müssten "aus der EU selbst kommen".

Soros warf Deutschland vor, Euro-Krisenstaaten unerreichbare Ziele zu setzen und sie damit gegen sich aufzubringen. "Der Rest Europas ist nicht wie Deutschland", sagte er. Das derzeitige Euro-Krisenmanagement erzeuge Widerstand in Ländern der Peripherie: "Die Entwicklung in Ungarn ist da erst der Anfang", sagte der aus Ungarn stammende US-Investor. In Deutschland werde die Gefahr einer dramatischen Deflation unterschätzt. Die Deutschen seien von dem Problem der Inflation, also der fortschreitenden Geldentwertung, traumatisiert und begriffen nicht, wie gefährlich eine Deflation sei. "Allein die Inflation zu bekämpfen, während man einer Deflation ins Auge sehen müsste, ist ganz einfach eine falsche Politik."

Bei einer Deflation gehen die Preise über einen längeren Zeitraum permanent zurück. Das kann zu einer Zurückhaltung der Käufer führen, die einen wirtschaftlichen Abschwung noch verschärft.

Nach Ansicht von Weltbank-Präsident Robert Zoellick muss Deutschland eine klarere Position in der Euro-Krise beziehen und die Führungsrolle beim Weg daraus übernehmen. "Kein anderes Land kann Europa aus der Krise und in die Erholung führen", schreibt Zoellick in einem Kommentar für die "Financial Times". Deutschland müsse seine Verantwortung übernehmen, mit dem "Durchwurschteln ohne klare Richtung und Anreize" müsse dabei Schluss sein. "Europa ist bisher von einer Teillösung zur anderen gestolpert und hat sich dabei Zeit erkauft, ohne die miteinander verschlungenen Probleme von Staatsschulden, Banken und Wettbewerbsfähigkeit zu lösen", heißt es in dem Beitrag. Unter anderem müssten Ländern wie Italien, die hart an Reformen arbeiteten, Zugeständnisse gemacht werden. "Deutschland kann Ländern, die nichts für die eigene Rettung tun, nicht helfen und sollte das auch nicht. Aber es kann den Antreibern von Reformen dabei helfen, die politische Unterstützung zu behalten."

Zoellick spricht sich zudem für die Einrichtung von Euro-Bonds, also gemeinsamen europäischen Anleihen, sowie eine größere Mobilität von Arbeitnehmern aus. Deutschland müsse außerdem den Weg dafür ebnen, dass Polen dem Euro-Raum beitreten könne, dass das Vereinigte Königreich ein "aktiver Teilnehmer" bleibe. Auch müsse verhindert werden, dass im Südosten Europas eine Kreditkrise entstehe.

Auch der Deutsche-Bank-Manager Pierre de Weck hat die Politik zur Einführung von Euro-Bonds aufgefordert. Euro-Bonds seien mittelfristig eine mögliche Lösung der Krise in der Euro-Zone, sagte de Weck.