Verbraucherschützer greifen Privatversicherungen wegen Prämiensteigerungen an

Hamburg/Berlin. Die stark gestiegenen Prämien für die privat Krankenversicherten haben eine neue Diskussion über die Kosten im Gesundheitswesen entfacht. Weil ein Wechsel von der privaten in die gesetzliche Krankenversicherung nur unter besonderen Umständen möglich ist, forderte Gesundheitsminister Daniel Bahr (FDP): Die Unternehmen der privaten Krankenversicherung (PKV) müssten alle Möglichkeiten ausschöpfen, "den Versicherten günstigere Tarife anzubieten". Bei den Privaten ist etwa jeder zehnte Bundesbürger krankenversichert. Deshalb haben die gut 40 Unternehmen wenig Marktmacht, um Leistungen günstiger einzukaufen.

Zu Beginn dieses Jahres stiegen die Prämien für Privatversicherte um fünf bis zehn Prozent, wie der Bund der Versicherten dem Abendblatt mitteilte. Vorstandsmitglied Thorsten Rudnik sagte: "Für manche stiegen die Prämien sogar um 20 Prozent. Und es ist nicht nur so, dass die Privatversicherten jedes Jahr mehr zahlen. Bei den Leistungen wird gekürzt, es wird immer kleinlicher abgerechnet. Waren es bei einer Massage mal 20 Euro, die erstattet wurden, sind es heute nur noch 18 Euro." Allerdings hätten auch gesetzlich Versicherte schlechte Erfahrungen gemacht, weil ein Zusatzbeitrag erhoben oder Geschäftsstellen geschlossen wurden.

Die Privatversicherer würden ihren Kunden jedoch immer neue Steine in den Weg legen: "Mit abenteuerlichen Begründungen wird ein Tarifwechsel verwehrt. Außerdem arbeiten die Unternehmen bisweilen mit unwahren Aussagen zu Risikozuschlägen und Vorerkrankungen." Wem die Prämien zu teuer geworden sind, der kann einen neuen Tarif wählen. Ein Wechsel in die gesetzliche Kasse ist möglich, wenn der Jahresverdienst dauerhaft unter die Grenze von 50 850 Euro fällt und der Versicherte unter 55 Jahre alt ist. Ältere Privatversicherte haben kaum Chancen, ihre Gesundheitskosten wieder zu senken. "Die Privaten ködern die Jungen mit günstigen Tarifen, um im Alter an ihnen zu verdienen", sagt Verbraucherschützer Rudnik.

Doch im vergangenen Jahr sind 41 000 Versicherte mehr zur Techniker Krankenkasse von den Privaten gekommen als dorthin abgewandert. Bei der Barmer GEK gab es ein Wanderungsplus von 18 000 Versicherten. Der Verband der Privatversicherer beharrt darauf, dass 2010 insgesamt 74 500 Menschen mehr kamen als zu den gesetzlichen gingen. Hinter vorgehaltener Hand geben Kassenmanager zu, dass Privatversicherte beim Wechsel "beraten" werden. Das erbost die Privaten: "Wenn eine Krankenkasse als öffentlich-rechtliche Körperschaft Beihilfe zur Umgehung des Sozialgesetzbuches leisten sollte, wäre dies ein Skandal", sagte Volker Leienbach, Direktor des PKV-Verbandes.