Schwarz-Gelb will Kürzungen am Bundesrat vorbei beschließen. Opposition spricht von “Trick“

Hamburg. Die Regierungskoalition will das milliardenschwere Sparpaket größtenteils ohne die Bundesländer auf den Weg bringen. Der haushaltspolitische Sprecher der Union, Norbert Barthle, sagte dem Hamburger Abendblatt: "Wir haben das Sparpaket so angelegt, dass nur der Teil, der das Wohngeld betrifft, durch den Bundesrat muss. In diesem Teil geht es um die Kürzungen beim Heizkostenzuschuss für Wohngeldempfänger in Höhe von 100 Millionen Euro." Auch der parlamentarische Geschäftsführer der FDP, Otto Fricke, bestätigte in der "Berliner Zeitung": "Auf alle Fälle wollen wir, auch wegen der Entwicklung in Nordrhein-Westfalen, das Sparpaket aufteilen." Insgesamt soll das Sparpaket bis 2014 Einsparungen von rund 80 Milliarden Euro bringen.

Mit dem Plan zum Aufteilen des Gesetzespakets reagiert Schwarz-Gelb auf die Ankündigung der SPD und der Grünen, in Nordrhein-Westfalen eine Minderheitenregierung eingehen zu wollen. Durch diesen Regierungswechsel verlieren Union und FDP ihre Mehrheit im Bundesrat. Der Bundesvorsitzende der Grünen, Cem Özdemir, hatte deswegen gestern in der "Saarbrücker Zeitung" gefordert: "Frau Merkel muss sich auf uns zubewegen." Schwarz-Gelb habe schließlich keine Mehrheit mehr im Bundesrat. Auch bei der Haushaltskonsolidierung forderte der Grünen-Politiker Zugeständnisse an die Opposition.

CDU-Mann Barthle sagte dagegen: "Ich gehe davon aus, dass das Sparpaket bis Ende Oktober ohne große Widerstände beschlossen wird." Nach Wochen der Koalitionszwistigkeiten sieht Barthle nun eine Chance für Union und FDP, Geschlossenheit zu demonstrieren: "Das Sparpaket ist nach harten Verhandlungen in der Koalition zustande gekommen, daher gehe ich davon aus, dass die Koalition an dieser Stelle steht. Ein erfolgreich beschlossenes Sparpaket könnte ein Startschuss sein für eine neue Einigkeit in der Koalition."

Auch Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) sieht die schwarz- gelbe Koalition nicht gefährdet. "Diese Koalition ist robust und reift mit dem Sparpaket", sagte er der "Wirtschaftswoche". Den Liberalen mit ihren Steuersenkungsforderungen attestierte Schäuble, "einen weiten Weg gegangen" zu sein. Zum Vorwurf, er habe mit Verweis auf die leeren Haushaltskassen Steuersenkungsversprechen der FDP torpediert, sagte Schäuble: "Manchmal tut die Wahrheit weh. Aber ich bin nicht schuld an der Wahrheit."

Trotz der neu demonstrierten Einigkeit wird die Verabschiedung der Einspar-Vorschläge noch viel Verhandlungsbereitschaft zwischen den Koalitionären erfordern, denn große Teile des Sparpakets sind noch vage formuliert. Laut Barthle ist ein Drittel des ganzen Sparpakets noch nicht präzise ausformuliert: "Dabei handelt es sich um die Einnahmeseite, also die Ökosteuer-Vergünstigungen, die Brennelementesteuer und die Luftverkehrssteuer. Auch der Subventionsabbau steht noch auf der Agenda."

Zudem herrscht in vielen Punkten noch keine Einigkeit zwischen Union und FDP. So widersprach Haushaltspolitiker Barthle dem Vorschlag des FDP-Manns Fricke, auch den Höchstsatz des Elterngeldes zu kürzen: "Die Idee des Elterngeldes ist, dass Väter ein paar Monate Auszeit nehmen können und sich Paare deswegen eher für Kinder entscheiden. Das würde man damit zunichte machen." Der Hamburger CDU-Abgeordnete Rüdiger Kruse wandte sich gänzlich gegen Forderungen, über weiteren Subventionsabbau oder höhere Steuersätze zu verhandeln: "Es gibt nichts, was man aus meiner Sicht an dem Sparpaket unbedingt nachbessern müsste. Jeder kann seine Vorstellungen frei äußern, aber ich halte nichts davon, täglich weitere Einsparvarianten öffentlich zu diskutieren. Das bringt nur Nervosität in die Debatte."

SPD-Parlamentsgeschäftsführer Thomas Oppermann nannte den Plan, das Sparpaket am Bundesrat vorbeizuschleusen, einen "Offenbarungseid für den Zustand der Regierung". Schwarz-Gelb "traut sich nicht mehr zu, Mehrheiten für ihre Politik zu organisieren". Eine Regierung, die versuche, ohne Bundesrat klarzukommen, "kann in wesentlichen Bereichen Politik nicht mehr gestalten", kritisierte Oppermann. "Sie hat sich selbst schon aufgegeben."

SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles nannte die Aufspaltung des Sparpakets einen "typischen Trick". Ihre Partei werde im Bundesrat weiter "unsoziale Politik verhindern". Das Sparpaket erfülle "den Anspruch sozialer Ausgewogenheit in keinster Weise", sagte Nahles in Berlin. Thüringens SPD-Landeschef Christoph Matschie sagte dem MDR, Kanzlerin Angela Merkel (CDU) sei gut beraten, auf die Länder und die Opposition zuzugehen. Zwar seien die meisten Vorhaben nicht zustimmungspflichtig, es könne aber in jedem Fall der Vermittlungsausschuss angerufen werden. Dafür werde er sich einsetzen, sagte Matschie.

Grünen-Chefin Claudia Roth kritisierte die schwarz-gelbe Regierung, weil sie die massive Kritik an dem Sparpaket nicht ernst nehme und keine Konsequenzen daraus ziehe. Stattdessen versuche sie, Teile des Pakets abzuspalten. So werde "unverfroren und gnadenlos weiter Klientelpolitik betrieben". Die Linke warf der Regierung vor, sie trete "die Rechte der Länder mit Füßen".