Die EU-Staats- und Regierungschefs beraten bei ihrem heutigen Gipfeltreffen über Lehren aus der Krise. Geplant ist eine bessere Haushaltskontrolle

Brüssel. Es soll "ein ganz normaler Gipfel ohne große Überraschungen werden", heißt es im Berliner Kanzleramt. Also kein Streit, keine neuen Milliarden-Zusagen an europäische Pleiteländer und kein französischer Staatspräsident, der - wie beim Euro-Gipfel im Mai - wütend aus dem Arbeitszimmer der Bundeskanzlerin stürmt.

Dennoch: Das eintägige Sommertreffen der 27 EU-Regierungschefs in Brüssel ist viel mehr als übliche EU-Politroutine. Die Euro-Krise ist noch lange nicht vorbei. Die Finanzmärkte bleiben trotz eines 750-Milliarden-Rettungsschirms misstrauisch. Das Euro-Land Griechenland steht kurz davor, in der Schuldenflut zu ertrinken. Die Bankenkrise in Spanien spitzt sich zu. "Es gibt keinen Fall Spanien. Es gibt auch keine Diskussion über den Fall Spanien", sagt ein hoher deutscher Regierungsbeamter.

Die EU will die Finanzmärkte beruhigen. Und sie will vor allem zeigen, dass die Regierungen aus dem Schuldendesaster der vergangenen Monate gelernt haben. Jahrelang haben die Euro-Länder die Aushöhlung des Stabilitätspaktes betrieben und Milliarden-Schuldenberge angehäuft. Jetzt wollen die Sünder zeigen, dass es auch anders geht und die Weichen für solide Finanzen und Wachstum stellen.

Alle sind sich einig: Dazu ist eine bessere Koordination der Wirtschaftspolitik nötig. Aber wie weit soll sie gehen? Werden das lockere wirtschaftspolitische Absprachen der 27 EU-Länder sein, wie Bundeskanzlerin Angela Merkel es will? Oder eine eng verzahnte Abstimmung der 16 Euro-Länder, die zugleich ein Gegengewicht zur unabhängigen Europäischen Zentralbank (EZB) bildet? Diese Fragen werden bei diesem Gipfeltreffen nicht entschieden, der Kampf um eine europäische Wirtschaftsregierung zwischen Merkel und Frankreichs Staatspräsident Nicolas Sarkozy wird aber weitergehen.

Dies wird kein Gipfel der endgültigen Entscheidungen. Aber die EU geht neue Wege. Sie will sich auf eine bessere Haushaltskontrolle verständigen: Brüssel soll künftig die nationalen Budgetpläne viel früher als bisher prüfen können. Gleichzeitig sollen die Sanktionen für chronische Defizitsünder verschärft werden. Das Signal an die Märkte lautet: Die Euro-Zone wird krisenfest.

Sarkozy und Merkel sind sich in diesem Fall sogar einig - zumindest teilweise: Sarkozy unterstützt Merkels Vorschlag, einem Land bei Verstößen gegen den Stabilitätspakt vorübergehend die Stimmrechte in der Euro-Gruppe zu entziehen. Die Kanzlerin will dafür sogar eine Änderung der EU-Verträge in Kauf nehmen. Sarkozy und die Mehrheit der Regierungschefs sind allerdings strikt dagegen. Genauso umstritten ist, wie die wirtschaftlichen Ungleichgewichte innerhalb der EU überwunden und die Wettbewerbsfähigkeit einiger Mitgliedsländer verbessert werden können. Diese Frage wird frühestens im Herbst entschieden. Auf jeden Fall wollen die EU-Länder sich heute auf eine weltweite Finanztransaktionssteuer einigen. "Europa ist nicht deswegen vereint worden, damit 500 Millionen Menschen zuschauen, wie ihr Traum von einem wirtschaftlich starken und sozial gerechten Kontinent von einer Handvoll Spekulanten zerstört wird", sagte Österreichs Bundeskanzler Werner Faymann der "Welt". "Wir müssen jetzt gemeinsam handeln."