Wenn der Bundespräsident vom Volk gewählt würde, hätte Joachim Gauck derzeit die Nase knapp vorn. 34 Prozent würden dem von SPD und Grünen nominierten Kandidaten ihre Stimme geben, 32 Prozent erhielte der von Union und FDP favorisierte Christian Wulff, ergab eine Emnid-Umfrage für "Bild am Sonntag". Im Westen liegt Wulff mit 36 zu 29 Prozent klar vorn, im Osten Gauck mit 55 zu 15 Prozent.

Kanzlerin Angela Merkel (CDU) lobte in der "Bild am Sonntag" zwar Gauck als "eine herausragende Persönlichkeit, die ich ehre und schätze", zugleich nannte sie Wulff den "am besten geeigneten Kandidaten für das Amt des Bundespräsidenten genau in dieser Zeit". Sie gehe "klar davon aus, dass er eine Mehrheit in der Bundesversammlung bekommen wird".

Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) rühmte Wulff als einen Vermittler, dessen Erfolg auf Klugheit und der "seltenen Fähigkeit, sich selbst zurückzunehmen", beruhe, schrieb sie in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung". Von der Leyen selbst hatte kurzzeitig als Favoritin für die Präsidentschaftskandidatur gegolten.

Der scheidende hessische Ministerpräsident und CDU-Landesvorsitzende Roland Koch mahnte auf einem Landesparteitag in Willingen Union und FDP zu Geschlossenheit. Es gehe um eine politische Richtungsentscheidung für oder gegen eine bürgerliche Mehrheit. Die gemeinsame Wahl Wulffs müsse gelingen. "Sonst wird es uns verdammt viel schlechter gehen", sagte Koch mit Blick auf das derzeitige Erscheinungsbild der schwarz-gelben Koalition.

Auf diese Äußerung reagierte SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles empört. "Die politische Vereinnahmung des höchsten Staatsamtes ist ungeheuerlich", sagte sie. Zugleich riefen SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier und der Grünen-Vorsitzende Cem Özdemir in einem gemeinsamen Gastbeitrag in der "Welt am Sonntag" zur Wahl Joachim Gaucks auf. "Wir appellieren an die Mitglieder der Bundesversammlung, am 30. Juni nicht die Kategorien von Sieg und Niederlage und von politischer Lagerlogik zur Grundlage ihrer Wahlentscheidung zu machen." Gauck wäre "ein Bundespräsident jenseits der politischen Lager", schrieben Steinmeier und Özdemir.