Schwarz-gelber Vorsprung für neuen Bundespräsidenten schmilzt

Berlin. Vielleicht war es das letzte Mal, dass Niedersachsens Noch-Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) am Freitag im Landtag von Hannover auf der Regierungsbank Platz nahm. Offiziell verabschieden wollte er sich allerdings noch nicht. Das würde er gern am 1. Juli, einen Tag nach der Bundespräsidentenwahl, tun, sagte er. Seit Freitag muss Wulff als schwarz-gelber Kandidat für das Bundespräsidentenamt allerdings noch ein bisschen mehr um seine eigentlich sicher geglaubte Wahl zittern. Die Liberalen aus Sachsen und auch aus Thüringen wollen ihm ihre Stimmen nicht garantieren.

Die Landtagsfraktion habe entschieden, den von ihr in die Bundesversammlung entsandten Vertretern keine Wahlempfehlung auszusprechen, erklärte der sächsische Fraktionschef Holger Zastrow am Freitag. Wulff sei ebenso wie der von Rot-Grün nominierte Joachim Gauck "ein sehr respektabler und geeigneter Kandidat".

Deshalb sei es für jeden Wahlmann und jede Wahlfrau eine Gewissensentscheidung, welchem Kandidaten sie die Stimme gäben. "Diese Entscheidung durch parteitaktische Erwägungen und die Stimmung des Moments zu beeinflussen, würde dem Amt des Bundespräsidenten nicht gerecht", so Zastrow.

Auch die Thüringer FDP lässt sich weiterhin alle Optionen offen. "Es gibt bei uns große Sympathien für Joachim Gauck, aber auch Mitglieder, die gute Gründe für Christian Wulff nennen", sagte der Partei- und Fraktionsvorsitzende Uwe Barth. Die Partei habe auch noch nicht entschieden, wen sie zur Wahl am 30. Juni nach Berlin schicke. "Sie hat nur eine Stimme. Das kann der Vorsitzende sein, muss aber nicht."

Alle Landesparlamente sollen ihre Vertreter für die Bundesversammlung bis Freitag kommender Woche wählen. Die sächsische FDP-Fraktion schickt voraussichtlich drei Vertreter. Die Länder stellen die Hälfte der 1244 Mitglieder der Bundesversammlung. Hinzu kommen die 622 Bundestagsabgeordneten. Union und FDP haben einen Vorsprung von 21 Stimmen für Wulff. Doch der könnte nun schmelzen. Hätten die Bundesbürger das Wort, dann hätte es Wulff ohnehin schwer. Laut einer Umfrage von Infratest dimap würden 40 Prozent der Bürger für Gauck stimmen, für Wulff sprachen sich 31 Prozent aus. Die von der Linkspartei aufgestellte Kandidatin Luc Jochimsen käme danach auf zwei Prozent der Stimmen.

Wulff räumte am Freitag die rechtlichen Hürden auf dem Weg zur Bundespräsidentenwahl aus dem Weg und legte sein Landtagsmandat nieder. Er kündigte an, seinen Sitz im VW-Aufsichtsrat in den kommenden Wochen abzugeben. Als Regierungschef wird Wulff erst zurücktreten, wenn er als Bundespräsident gewählt ist.