Sämtliche Gespräche in Nordrhein-Westfalen gescheitert. Rüttgers bleibt geschäftsführend im Amt

Hamburg/Düsseldorf. Schon wieder werden die Karten in Nordrhein-Westfalen neu gemischt: Nach den gescheiterten Sondierungsgesprächen über eine Ampelkoalition hat sich die SPD-Spitze in Nordrhein-Westfalen nun auch gegen Koalitionsverhandlungen mit der CDU ausgesprochen. Eine entsprechende Empfehlung richtete der SPD-Landesvorstand in seiner Sitzung am Freitagabend in Düsseldorf einstimmig an den Landesparteirat. SPD-Landeschefin Hannelore Kraft sagte, bei ihren Sondierungsgesprächen mit der CDU habe die SPD feststellen müssen, dass eine Regierungsbildung und ein Politikwechsel mit der CDU "nicht möglich" sei. "Das Reden ist beendet, jetzt gilt das Handeln", unterstrich Kraft. "Wir werden jetzt den Politikwechsel aus dem Parlament heraus betreiben." Dazu werde die SPD entsprechende Gesetzentwürfe einbringen. "Wir gehen davon aus, dass es in vielen Themenfeldern Mehrheiten geben wird." Nach dem Votum des SPD-Landesvorstands gegen Verhandlungen mit der CDU bleibt die schwarz-gelbe Regierung vorerst weiter geschäftsführend im Amt. Ministerpräsident Jürgen Rüttgers wird ähnlich wie Regierungschef Roland Koch in Hessen 2008 ohne eigene Mehrheit regieren. Neuwahlen sind nun nicht mehr ausgeschlossen.

Schon während der Gespräche mit der CDU in der vergangenen Woche hatte die SPD immer wieder auf die Vorbehalte gegen eine Große Koalition hingewiesen, vor allem weil das Amt des Ministerpräsidenten wahrscheinlich an die Christdemokraten verloren gegangen wäre. Die CDU hatte stets bekundet, an Rüttgers festhalten zu wollen. Der noch amtierende Ministerpräsident Rüttgers hatte trotzdem am Freitag via "Bild"-Zeitung die Bereitschaft zu Zugeständnissen an die SPD signalisiert. Selbst eine für den Freitag geplante Polen-Reise hatte der Ministerpräsident vorsichtshalber abgesagt.

Wie es in Nordrhein-Westfalen nun weitergehen kann, ist unsicherer denn je. Die SPD will zur Empfehlung ihres Landesvorstandes nun die Parteibasis befragen. Am Wochenende sind dazu landesweit vier Regionalversammlungen geplant, am Montag tagt dann der Landesparteirat in Dortmund.

Trotz der Ablehnung der SPD warben die Grünen am Freitag vehement für die Möglichkeit einer Minderheitsregierung. Die Vorsitzende der Bundestagsfraktion der Grünen, Renate Künast, sagte der "Rheinischen Post": "Jetzt kann der Weg nur über eine Minderheitsregierung führen, die sich darauf beschränkt, die ersten notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, beispielsweise die Stärkung der kommunalen Finanzen und die Abschaffung der Studiengebühren."

Die Linke appellierte an die SPD, in NRW einen neuen Anlauf für ein rot-rot-grünes Bündnis zu starten. "Ich fordere Frau Kraft auf, umgehend an den Verhandlungstisch zurückzukehren", sagte Linke-Chef Klaus Ernst. Doch bekräftigte die SPD-Landeschefin am Freitag ihre Absage an die nordrhein-westfälische Linkspartei.

Das CDU-Landesvorstandsmitglied Elmar Brok forderte die Grünen dagegen zu Gesprächen über ein Jamaika-Bündnis aus CDU, FDP und Grünen auf. "Es ist nicht einsehbar, warum sich die Grünen mit SPD und FDP an einen Tisch setzen, aber gleichzeitig Gespräche mit CDU und FDP ausschließen. Unter demokratischen Parteien muss eine prinzipielle Koalitionsfähigkeit gegeben sein", sagte er der "Westdeutschen Allgemeinen Zeitung".

Schon in der Nacht zu Freitag waren die Verhandlungen über ein Regierungsbündnis aus SPD, Grünen und FDP gescheitert. Es habe in zentralen landespolitischen Fragen keine hinreichenden Gemeinsamkeiten für ein rot-gelb-grünes Bündnis gegeben, sagte FDP-Landeschef Andreas Pinkwart. Kraft gab der FDP die Schuld am Scheitern der Sondierungsgespräche. Sie habe während der Verhandlungen zeitweise den Eindruck gehabt, dass eine Regierung mit FDP und Grünen möglich sein könnte. Grüne und SPD hätten daher auch vorgeschlagen, die Gespräche bei einem dritten Treffen fortzusetzen. Dies habe die FDP jedoch abgelehnt.