SPD und Grüne kritisieren die Nominierung Wulffs als parteitaktisches Kalkül

Hamburg. Der hessische Ministerpräsident Roland Koch hat sich anerkennend über Joachim Gauck geäußert. Der CDU-Politiker bezeichnete den Kandidaten von SPD und Grünen für das Amt des Bundespräsidenten als "eine sehr respektable Persönlichkeit". Auch der parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Bundestagsfraktion, Otto Fricke, sagte dem Radiosender SWR 2, der DDR-Bürgerrechtler und Theologe sei "kein schlechter Kandidat". Würde nur er zur Wahl stehen, "dann könnte man sicherlich aus liberaler Sicht auch wunderbar mit Herrn Gauck leben".

Dennoch stehen CDU/CSU und FDP geschlossen hinter dem eigenen Kandidaten Christian Wulff - und werben bis zur Basis für den niedersächsischen Ministerpräsidenten. Der Generalsekretär der Christdemokraten, Hermann Gröhe, schrieb an Bundestagsabgeordnete, Landes-, Kreis-, Bezirks- und Ortsverbände, Wulff bringe "vorzügliche Voraussetzungen mit, um die Aufgaben eines Bundespräsidenten exzellent wahrzunehmen". Ein Zeichen dafür, dass Gauck der Koalition zu Schaffen macht? Äußerlich jedenfalls nicht - denn trotz des Lobes für den 70-Jährigen wird sie am 30. Juni für ihren Mann stimmen. Für SPD und Grüne kommt erschwerend hinzu, dass sie nicht auf die Stimmen der Linken zählen können, wie Parteichefin Gesine Lötzsch klarstellte. Viel bedeutender aber ist, dass die Regierungsparteien über eine komfortable Mehrheit in der Bundesversammlung verfügen: Von den 2144 Wahlmännern und Wahlfrauen stellen sie mindestes 644, die absolute Mehrheit liegt bei 623 Stimmen.

Die schwarz-gelbe Koalition hat mit Wulff zuerst ihren Kandidaten nominiert. Als Bundskanzlerin Angela Merkel lächelnd die Entscheidung verkündete, sah man ihr die Erleichterung an. Allenthalben Freude in der Regierungskoalition - nach einem dreieinhalb Tage dauernden Politpoker um Horst Köhlers Nachfolge. Gelöst schienen auch die Spitzen von SPD und Grünen, als sie Gauck bei der gestrigen Bundespressekonferenz vorstellten. SPD-Chef Sigmar Gabriel strahlte genauso wie Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin beim Auftritt vor den Kameras.

In der Opposition herrscht breite Skepsis gegenüber der Nominierung Wulffs. Grünen-Chef Cem Özdemir sagte im "Deutschlandradio Kultur", die Wahl des CDU-Politikers sei eine verpasste Gelegenheit. "Gerade jetzt in der Krise wäre es wichtig gewesen, dass wir einen Bundespräsidenten bekommen, der sich abhebt von dem, was Schwarz-Gelb in der Vergangenheit da vorgeführt hat." Wulff sei ausgesucht worden, um der Regierung aus der Krise zu helfen - und das habe mit dem höchsten Staatsamt sehr wenig zu tun, so Özdemir. Auch SPD-Chef Gabriel sagte, Wulff sei allein aus politischem Kalkül nominiert worden und kritisierte, dass Bundeskanzlerin Merkel nicht auf den gemeinsamen Vorschlag von SPD und Grünen für Gauck als überparteilichen Kandidaten eingegangen sei. Der Unterschied zwischen dem Kandidaten Gauck und Christian Wulff liege nicht nur in den Konzepten. "Gauck bringt ein Leben mit in seine Kandidatur", Wulff dagegen "bringt eine politische Laufbahn mit".

SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier zeigte sich enttäuscht, dass es keinen Kandidaten gibt, den alle Parteien akzeptiert hätten. "Das ist nicht nur schlechter Stil, sondern es dokumentiert im Grunde genommen auch eine Niederlage von Frau Merkel selbst."