Berlin. Als Reaktion auf den ausufernden Missbrauchsskandal hat das Kabinett vor vier Wochen einen runden Tisch einberufen. Am Freitag wird er nun zum ersten Mal tagen. Man weiß, dass Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP), Bildungsministerin Annette Schavan und Familienministerin Kristina Schröder (beide CDU) den Vorsitz führen werden, aber viel mehr weiß man nicht. Bislang existiert weder eine Teilnehmerliste, geschweige denn eine Tagesordnung.

Das macht die Veranstaltung zu einem Nebelschwimmen. Die Bundestagsfraktion der Grünen hat deshalb für heute zu einer Vorbereitungsrunde eingeladen, an der unter anderem die Hilfsorganisationen "Tauwetter" und "Wildwasser" teilnehmen werden. Am runden Tisch wird dann Ekin Deligöz sitzen. Sie habe Zweifel, sagte die stellvertretende Fraktionsvorsitzende dem Abendblatt, ob es am Freitag darum gehen werde, den Opfern gerecht zu werden. Aber genau darum müsse es gehen. "Zunächst brauchen wir eine schonungslose Analyse, die aufzeigt, warum Kindesmissbrauch in bestimmten Strukturen fortgesetzt stattfinden konnte. Diese Analyse muss überall da geleistet werden, wo Missbrauch stattgefunden hat. Um zu erkennen, welche Strukturen Kindesmissbrauch begünstigen, beziehungsweise welche Strukturen die frühzeitige Aufklärung unmöglich machen." Erst danach, so Deligöz weiter, werde man über Maßnahmen entscheiden können. "Dann wird es unter anderem um die Frage gehen, wie eine effektive Aufsicht in Schulen, Heimen und Vereinen sowie umfassende Prävention gewährleistet werden können. Es geht darum, Licht ins Dunkel zu bringen." Es gehe nicht darum, Lehrer und Erzieher zu verunsichern, so Deligöz. "Denn selbstverständlich muss zur Pädagogik auch weiterhin gehören, dass ein Kind zum Trost in die Arme genommen werden darf."

Auch SPD-Fraktionsvize Olaf Scholz ist skeptisch. "Die Verjährungsfristen für die verschiedensten infrage stehenden Straftatbestände sind nicht einheitlich geregelt, und sie sind zu kurz", sagte Scholz dem Abendblatt. Die SPD schlage deshalb vor, eine einheitliche Verjährungsfrist von 20 Jahren nach Vollendung des 18. Lebensjahrs zu beschließen. "Das Gegenargument, dass die Beweisführung immer schwieriger, wenn nicht unmöglich wird, je größer der Zeitabstand ist, zieht aus unserer Sicht nicht. Im Gegenteil. Das Phänomen ist ja immer dasselbe: Missbrauchsopfer offenbaren sich häufig erst, wenn sie erkennen, dass sie nicht alleine betroffen sind."

Scholz kündigte an, dass die SPD-Fraktion eine entsprechende Gesetzesinitiative auf den Weg bringen wird, sollte am runden Tisch keine Einigkeit über die Fristverlängerung erzielt werden.