Berlin/Hamburg. Wegen seiner Erwartungen an einen größeren Beitrag der Bundeswehr in Afghanistan lädt die SPD den Befehlshaber der Nato-Truppen, US-General Stanley McChrystal, in den Verteidigungsausschuss des Bundestages ein. Verteidigungsexperte Hans-Peter Bartels sagte dem Abendblatt: "Wenn General McChrystal in der nächsten Woche Deutschland besucht, wäre die erste Adresse der Verteidigungsausschuss des Deutschen Bundestages. Es wäre wünschenswert, wenn er erklärt, was er sich genau unter einem größeren Beitrag der deutschen Soldaten vorstellt."

Bartels sagte, die Bundesregierung habe ja bereits mit Ideen und Unterstützung der SPD die neue Strategie abgesegnet. Vordringlich seien die Ausbildung der afghanischen Sicherheitskräfte und der Schutz der Zivilbevölkerung. "Es sollen zwei Schutzbataillone aufgestellt werden, die mit den Afghanen in die Einsätze gehen." Es gebe eine neue Schwerpunktsetzung, einen Zeitplan sowie ein Abzugsszenario.

General Stanley McChrystal erwartet nach einem Bericht der "Leipziger Volkszeitung" einen Beitrag der deutschen Truppen bei der im Sommer anstehenden Großoffensive gegen die Taliban. Er sprach außerdem von einer gezielteren Kampfausbildung der Bundeswehrsoldaten unter kriegerischen Bedingungen.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat die Forderung nach einem neuen Mandat für den Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr zurückgewiesen. Die rechtlichen Grundlagen des Einsatzes hätten sich nicht geändert, sagte Vize-Regierungssprecherin Sabine Heimbach.

SPD-Chef Sigmar Gabriel hatte gesagt, wenn die Bundesregierung von "Krieg" spreche, müsse das Mandat geändert werden. Merkel hatte bei der Trauerfeier für die drei getöteten deutschen Soldaten gesagt, die meisten Soldaten nennten den den Einsatz in Afghanistan inzwischen "Krieg". Sie hatte hinzugefügt: "Ich verstehe das gut." Vize-Regierungssprecherin Sabine Heimbach hob hervor, Merkel habe den völkerrechtlichen Kontext genannt und sei somit auf der Grundlage des Mandats geblieben.

Die Linke unterstützte Gabriels Einschätzung. "Wir begrüßen Gabriels Andeutung, die SPD könnte sich bei einer Entscheidung über ein Kriegsmandat gegen den Krieg stellen", sagte Vorstandsmitglied Christine Buchholz. Leider hätten sich SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier und Verteidigungsexperte Rainer Arnold gegenteilig geäußert. Die Linke hoffe, "dass Gabriels Äußerungen nicht nur Wahlkampfgeplänkel für die Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen sind und den Worten nun Taten folgen".

Nach dem Abbruch der Entschädigungs-Verhandlungen mit dem Anwalt einiger Opfer der Kundus-Luftschläge vom September 2009 beginnen die Gespräche von vorne. "Es müssen die Gesprächsfäden nun neu geknüpft werden", sagte ein Sprecher des Verteidigungsministeriums. Am Anfang müsse geklärt werden, wer überhaupt zu den Anspruchsberechtigten zähle.

Das Ministerium hatte die Gespräche mit dem Bremer Anwalt Karim Popal abgebrochen, weil unklar blieb, welche Mandanten er vertritt. Bei den vom deutschen Obert Georg Klein befohlenen Luftschlägen auf zwei Tanklaster in Nordafghanistan waren am 4. September 2009 bis zu 142 Menschen getötet worden, darunter Zivilisten. Das Verteidigungsministerium wusste zuletzt nicht mehr, ob Popal oder verschiedene Menschenrechtsorganisationen die Mandate der Hinterbliebenen vertraten.

Die US-Truppen in Afghanistan ziehen derweil aus einer heftig umkämpften Gebirgsregion an der Grenze zu Pakistan ab. Der Rückzug aus dem Korengal-Tal sei Teil der neuen Nato-Strategie, teilte US-Generalleutnant David M. Rodriguez mit. Der Schutz der Zivilbevölkerung in dichter besiedelten Gebieten habe Vorrang. Die Truppenverlegung hindere die Truppen aber nicht daran, "wenn nötig schnell auf Krisen in Korengal und anderen Teilen der Region zu reagieren", sagte Rodriguez in einer Pressemitteilung.