Berlin/Washington. Angesichts der immer brisanteren Sicherheitslage in Afghanistan ist nun auch Kanzlerin Angela Merkel (CDU) der Meinung, dass man den Konflikt umgangssprachlich als Krieg einstufen kann. In diesem Punkt sei sich die Regierungschefin mit Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg einig, sagte ihr Sprecher Christoph Steegmans in Berlin. Es sei jedoch derzeit nicht geplant, den Auftrag der Bundeswehr zu erweitern und ausdrücklich die Bekämpfung militanter Taliban mit in das Bundestagsmandat aufzunehmen.

Der CSU-Politiker Guttenberg hatte betont, es handele sich juristisch gesehen zwar um einen Bürgerkrieg mit internationaler Beteiligung. Aber auch wenn es nicht jedem gefalle, könne man umgangssprachlich von Krieg reden.

Vizekanzler Guido Westerwelle (FDP) sagte zu Klagen über eine mangelnde Ausrüstung und Ausbildung der Bundeswehrsoldaten, solche wehrtechnischen Fragen wolle und könne er als Außenminister nicht kommentieren. "Ich kann nur eines sagen: Die Bundesregierung bemüht sich nach besten Kräften, dass unsere Frauen und Männer in Afghanistan bestmöglich ausgestattet sind. Wenn da aber neue Fragen auftauchen, wenn da Mängel gesehen werden von Experten und von Kollegen, dann ist es ganz selbstverständlich, dass jeder dieser Fragen nachgegangen wird."

Der designierte Wehrbeauftragte des Bundestags, Hellmut Königshaus (FDP), hat dagegen Defizite beim Afghanistan-Einsatz beklagt. Für die Aufgabe am Hindukusch fehlten sowohl modernes Gerät wie Transportflugzeuge, Hubschrauber oder Kampfpanzer als auch ausreichende Einsatztrainings für die Soldaten, sagte Königshaus der "Neuen Osnabrücker Zeitung". Die bisherige Ausbildung der Bundeswehr sei zudem auf "die neue Qualität der Angriffe durch eine große Zahl von Taliban" nicht ausgerichtet.

Die US-Regierung hat dem afghanischen Präsidenten Hamid Karsai nach dessen heftiger Kritik am Westen mit der Absage eines bevorstehenden Gipfeltreffens gedroht. Karsai hatte bei einem Treffen mit Stammesältesten offen mit Widerstand gegen die anstehende Großoffensive der Nato in der Taliban-Hochburg Kandahar gedroht. Außerdem verbat er sich - offenbar als Replik auf die stetige Forderung der Verbündeten nach Fortschritten bei der Korruptionsbekämpfung - ausländische Einmischung in die Regierungsgeschäfte.

Gestern bemühte sich Karsai um Schadensbegrenzung. Er hat ihm zugesprochene Äußerungen dementieren lassen, bei anhaltendem internationalen Druck auf seine Regierung könnte er sich den Taliban anschließen. Sein Sprecher Wahid Omar sagte, die afghanische Regierung sei über derartige Berichte schockiert. Karsai und sein Kabinett hätten "den Kampf gegen den Terrorismus und den Kampf gegen jene zur Top-Priorität gemacht, die das Leben von Afghanen gefährden", sagte Omar.