Rom/Hamburg. Tausende Gläubige warteten nach dem Bekanntwerden zahlreicher Missbrauchsfälle auf ein klärendes Wort des Papstes. Und der Vatikan änderte sogar das strenge Protokoll der Osterfeierlichkeiten - aber nur, um Papst Benedikt XVI. gegen Kritik in Schutz zu nehmen. "Heiliger Vater, das Volk Gottes steht an deiner Seite", sagte Kardinaldekan Angelo Sodano in einer außerplanmäßigen Ansprache auf dem Petersplatz. Die Kirche lasse sich nicht "vom unbedeutenden Geschwätz dieser Tage beeinflussen".

Während Sodano sprach, zeigte sich ein Lächeln auf dem sonst erschöpft wirkenden Gesicht Benedikts. Er verfolgte die Rede von einem Balkon des Petersdoms aus. Ein Baldachin schirmte ihn vom kühlen Aprilregen ab.

"Wenn wir berichten, wie der Missbrauch durch Priester unsere kindliche Unschuld erschüttert hat, dann ist das kein ,unbedeutendes Geschwätz'", erklärte die Präsidentin des Netzwerks von Überlebenden von Missbrauch durch Priester, Barbara Blaine.

Benedikt spendete im Anschluss an die Rede Sodanos den Segen Urbi et Orbi (der Stadt und dem Erdkreis). Er beklagte darin die Verfolgung von Christen in Pakistan und anderen Ländern, versprach, für Frieden in Nahost zu beten und erinnerte zugleich an das Leiden der Erdbebenopfer in Haiti in Chile. Für den Papst war es der letzte Termin in der Osterwoche. Schon am Montag zog er sich auf seinen Landsitz Castel Gandolfo in den Bergen südlich von Rom zurück. Während Benedikt die Missbrauchsaffären mit keinem Wort erwähnte, sprachen deutsche Bischöfe von abscheulichen Verbrechen und einer fundamentalen Erschütterung der Kirche. "Wir brauchen einen Neuanfang", sagte der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Robert Zollitsch, in seiner Osterbotschaft. Die Kirche durchlebe "schmerzlich aufrüttelnde und betrüblich turbulente Monate", sagte Zollitsch. Und er forderte die eigene Kirche auf: "Gott macht den Weg frei, aber den nächsten Schritt haben wir selbst zu tun."

Der Missbrauchsbeauftragte der katholischen Kirche, Bischof Stephan Ackermann, forderte im "Tagesspiegel" eine Verschärfung der Leitlinien der Bischofskonferenz. So müsste in jedem Fall über den Täter ein Gutachten erstellt werden. Ob auch immer die Staatsanwaltschaft eingeschaltet werden solle, müsse diskutiert werden, da dies zu einer neuen Belastung der Opfer führen könne.

Die von der Bundesregierung berufene Beauftragte zur Aufarbeitung von Kindesmissbrauch, Ex-Familienministerin Christine Bergmann, will in dieser Woche ihre Arbeit aufnehmen und eine Telefonnummer für Betroffene freischalten lassen. Bisherige Bemühungen zum Schutz von Kindern seien nicht ausreichend gewesen, sagte sie der "Sächsischen Zeitung". Neben den Fällen in der Kirche waren in den vergangenen Wochen auch zahlreiche Missbräuche aus weltlichen Schulinternaten und in DDR-Erziehungsheimen bekannt geworden.

Für Empörung hatte auch der persönliche Prediger von Benedikt XVI. gesorgt, der am Karfreitag bei einem Gottesdienst im Petersdom die Vorwürfe gegen die katholische Kirche mit dem Antisemitismus verglichen hatte. Zwei Tage später entschuldigte sich Pater Raniero Cantalamesse: Sollte er gegen seinen Willen das "Feingefühl der Juden und der Opfer von Pädophilie" verletzt haben, bedauere er das aufrichtig, zitierte die italienischen Zeitung "Corriere della Sera" den Geistlichen. Der Vatikan hatte sich von dem Vergleich distanziert.