Hamburg. Angesichts wegbrechender Steuereinnahmen und der Steuersenkungspläne der Bundesregierung bangen die Kommunen und die Kirchen um ihre finanzielle Zukunft. Während erstmals ein Spitzenvertreter der Kommunen eine Anhebung der Mehrwertsteuer ins Spiel gebracht hat, warnt die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) die Regierung konkret vor weiteren Steuersenkungen.

Der Städtetagspräsident von Baden-Württemberg, Ivo Gönner, sprach sich für eine Mehrwertsteuererhöhung von 19 auf 21 Prozent aus. "Die kommunale Finanzlage ist ohne Übertreibung eine Katastrophe, weil die Gewerbesteuervorauszahlungen deutlich reduziert sind", begründete der SPD-Politiker gegenüber der Deutschen Presseagentur (dpa) seinen Vorschlag. Mit zeitlicher Verzögerung würden die Kommunen jetzt mit voller Wucht von den Folgen der Wirtschaftskrise getroffen, so Gönner. Auch die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) hatte Deutschland vor Kurzem dazu geraten, für den Schuldenabbau die Mehrwertsteuer zu erhöhen.

Gönner, Chef des Kommunalverbandes und Ulmer Oberbürgermeister, machte deutlich: "Der drastische Rückgang der Einnahmen führt dazu, dass ein Großteil der Städte und Gemeinden überhaupt keinen ausgeglichenen Haushalt mehr vorlegen kann." Viele Kommunen müssten auf ihr Vermögen zurückgreifen, um laufende Ausgaben zu bezahlen. Andere hätten dieses schon aufgezehrt und müssten sich nun verschulden, um ihre Pflichten erfüllen zu können. Bundesweit sind die Einnahmen der Kommunen im vergangenen Jahr um 11,4 Prozent eingebrochen - und damit stärker als bei Bund und Ländern.

Die Präsidentin des Deutschen Städtetags, Petra Roth (CDU), forderte mit Blick auf die dramatische Finanzlage der Kommunen eine Entlastung bei den Sozialausgaben. "Viele Städte liegen auf der Intensivstation", sagte die Oberbürgermeisterin von Frankfurt am Main der Nachrichtenagentur DAPD. Ohne die richtige Therapie sei die kommunale Selbstverwaltung akut bedroht. "Ein Wundverband hier, ein Pflaster dort reichen längst nicht mehr aus, um Heilung zu bringen", so Roth. Nach einem Defizit der kommunalen Haushalte von 7,1 Milliarden Euro in 2009 stünden bis 2012 sogar zweistellige Milliardendefizite ins Haus. "So schlimm sind die Kommunen noch nie ins Minus gerutscht", so Roth.

Die Evangelische Kirche in Deutschland fürchtet indes, bei weiteren Steuersenkungen in eine finanzielle Schieflage zu geraten. "Die Steuerpolitik könnte durchaus für die Kirchen ein Problem werden", sagte der amtierende EKD-Ratsvorsitzende dem Hamburger Abendblatt. Die evangelische Kirche sei derzeit zusammen mit der katholischen Kirche mit der Politik in Berlin über diese Problematik im Gespräch, so Schneider. Inwieweit die Steuerpläne der Bundesregierung umgesetzt werden, sei im Moment sehr unsicher, so der rheinische Präses. Er betonte: "Klar ist aber, dass die Kirchensteuer an der Lohn- und Einkommenssteuer hängt. Jede deutliche Reduzierung würde uns als Kirche schon treffen." Schneider appellierte an die Bundesregierung, von weiteren Steuersenkungen abzusehen.

"Wir haben die höchste Neuverschuldung aller Zeiten. In dieser Situation die Steuern noch senken zu wollen und weitere Schulden anzuhäufen erscheint mir nicht sinnvoll." Der amtierende EKD-Chef sagte weiter: "Ich erwarte von der Bundesregierung schnell einen Sanierungsplan, mit dem sie die Staatsfinanzen wieder in den Griff bekommen will." Zu diesem Sanierungsplan gehöre, die Verursacher der Krise zur Rechenschaft zu ziehen. "Die Banken haben den fast vollständigen Zusammenbruch des Finanzsystems verursacht, und zwar mit unabsehbaren Folgen für die Wirtschaft und das Zusammenleben in der Gesellschaft", sagte der Präses. Er forderte die Bundesregierung auf, die Banken bei der Haushaltssanierung einzubeziehen. "Jetzt müssen diese Verursacher der Katastrophe auch angemessen daran beteiligt werden, die Schäden zu beseitigen. Wir brauchen also mindestens eine Börsenumsatzsteuer", so Schneider.