„Was in Afghanistan passiert, ist Krieg“, sagt der EKD-Ratsvorsitzende Nikolaus Schneider.

Hamburg. Hamburger Abendblatt: Nichts ist gut in Afghanistan.“ Würden Sie sich diesen Käßmann-Satz auch zu Eigen machen?

Nikolaus Schneider: Dieser Satz war zugespitzt und hat eine wichtige Wirkung entfaltet. Insofern war er gut. Ich selbst würde es anders sagen: Der Konflikt in Afghanistan ist aus dem Ruder gelaufen. Die Legitimation des Bundeswehr-Einsatzes ist äußerst brüchig geworden. Und wir laufen Gefahr, dass der Einsatz völlig seine Legitimation verliert.

Sollte die Politik endlich so ehrlich sein und das Wort Krieg in den Mund nehmen?

Jetzt hat man ja mit ‚kriegsähnlicher Zustand’ eine Formulierung gefunden, die mit dem Völkerrecht vereinbar ist. Wenn es die Politik nicht deutlich sagt, dann sagen wir es als Kirche: Was in Afghanistan passiert, ist Krieg. Wir müssen aufräumen mit der Selbsttäuschung unserer Gesellschaft, die die Bundeswehr lange als besseres Technisches Hilfswerk gesehen hat, die Brücken baut, Brunnen bohrt und Wasserleitungen legt. Natürlich tut sie das auch, aber tatsächlich geht es darum, den zivilen Wiederaufbau militärisch zu sichern. Dabei wird man beschossen, man schießt zurück, und man tötet Menschen.

Wie lange sollen die deutschen Truppen dort noch bleiben?

Deutschland darf nicht zu so etwas wie einem langjährigen Besatzer werden. Das wäre eine fatale Entwicklung. Es gibt einen entscheidenden Impuls der USA für eine Exit-Strategie. In deren Windschatten muss sich auch für uns eine Abzugsperspektive ergeben.

Sie wollen selbst bald nach Afghanistan reisen. Haben Sie Angst vor dem Land?

Direkte Angst habe ich nicht. Eher Gottvertrauen. Und ich bin mir ziemlich sicher, dass auch die Bundeswehr gut auf mich aufpassen wird. Ich bin vor allem neugierig. Aber natürlich gibt es ein Restrisiko.