Der Bundesfinanzminister ging arbeiten, obwohl er sich noch schonen sollte. In dieser Woche musste er dann wieder ins Krankenhaus.

Berlin. Es war eine Premiere im Kanzleramt. Und Wolfgang Schäuble wollte auf keinen Fall fehlen. Diesmal ganz besonders nicht. Denn der Finanzminister stellte am Mittwoch dem Kabinett und seiner französischen Amtskollegin Christine Lagarde seine neue Bankenabgabe vor. Gegen den Rat seiner Ärzte, wieder einmal. Statt sich zu schonen, ging der CDU- Politiker vor die Presse – fahl im Gesicht und mit gepresster Stimme.

Nach dem Auftritt machten sich auch engste Mitstreiter in der schwarz-gelben Koalition Sorgen um den 67-Jährigen, der seit fast 20 Jahren an den Rollstuhl gefesselt ist. Der erfahrenste Mann am Kabinettstisch von Angela Merkel und am längsten dem Bundestag angehörende Abgeordnete bemüht sich nun energisch, den Eindruck von Schwäche zu zerstreuen. „Die Nachrichten über mein Ableben sind verfrüht“, sagte er ironisch der dpa. Eine Botschaft in die Gerüchteküche im aufgeregten Berliner Politikbetrieb.

Schäuble lebt dieser Tage gegen seine Gesundheit. Vor ein paar Wochen musste bei ihm ein 17 Jahre altes Implantat ersetzt werden, das er wegen seiner Behinderung benötigt. Ein Routineeingriff bei Querschnittsgelähmten, aber es gab Probleme. Schäuble musste länger im Krankenhaus bleiben als gedacht.

Während des Klinikaufenthalts zeigte Schäuble Führung. Er lenkte sein riesiges Ministerium vom Krankenbett aus – via Handy, PC und Fax. Trotz Widerstands der Doktoren ließ er sich früher entlassen: wegen der Griechenland-Krise, des Haushalts, des Steuerabkommens mit der Schweiz. Die Warnungen schlug Schäuble in den Wind. Jetzt musste er wieder ins Krankenhaus. Zu viele lange Arbeitstage im Rollstuhl erschweren die Heilung.

Es ist ein Kampf, wie er typisch ist für Schäuble. Als im Oktober 1990 ein geistig verwirrter Mann im badischen Oppenau auf ihn geschossen hatte, saß er, der Architekt der deutschen Einheit, nur wenig später wieder im Büro. Nicht nur für Merkel, in deren Ministerriege er das Schlüsselressort besetzt, ist er der Unverzichtbare. Zweimal war er Innenminister – unter Helmut Kohl und in der ersten Merkel-Regierung. Neun Jahre führte er die Unionsfraktion im Bundestag.

„S'isch, wie's isch“, ist ein häufiger Spruch Schäubles. Mit eiserner Disziplin, viel Optimismus und einer gehörigen Portion Sturköpfigkeit fährt der gläubige Christ seinen ganz eigenen Politikstil. Er selbst brachte Zweifel auf, etwa, als er für das Amt des Bundespräsidenten im Gespräch war. „Die Frage ist doch auch: Wollen die Leute einen Präsidenten im Rollstuhl? Sie sagen zwar immer, dass sie kein Problem damit haben, aber das heißt ja noch lange nicht, dass es stimmt. Es hat schon seinen Grund, warum die Indianer immer ihren Stärksten zum Häuptling machen.“

Nach fast 40 Jahren Bundespolitik hat Schäuble jetzt noch einmal einen Job, der ihm alles abverlangt: Haushalt sanieren, Schulden abbauen, eine Steuerreform auf den Weg bringen, Finanzmärkte an die Kette legen und strengere Sanktionen für Euro-Sünder durchdrücken. Das verlangt extrem viel Mobilität. Selbst eine Reise zu den Top- Finanzministern dieser Welt an den Polarkreis nach Kanada ließ er nicht ausfallen. Schäuble wird als Minister rund um die Uhr betreut. Viele fragen sich, warum er seine Gesundheit für das Amt derart aufs Spiel setzt. Wegbegleiter sagen: Politik ist sein Leben.