Berlin. Es war eine Premiere. Zum ersten Mal nahm mit Christine Lagarde gestern ein Mitglied der französischen Regierung an einer Sitzung des Bundeskabinetts teil. Aber es war vor allem eine elegante Geste der Freundschaft, denn Berlin hat Paris bekanntlich den Wunsch abgeschlagen, den Posten eines deutsch-französischen Sonderministers zu kreieren, der nach Vorstellung des französischen Staatspräsidenten Nicolas Sarkozy freien Zutritt zu beiden Kabinetten gehabt hätte. Das wollte Kanzlerin Angela Merkel (CDU) partout nicht.

Ersatzweise wurde ein lockerer Ministeraustausch beschlossen, der gestern begann. Ausgerechnet mit Frankreichs Superministerin Lagarde, die das Doppelressort Wirtschaft und Finanzen verwaltet und die Deutschen vor 14 Tagen mit ihrer Forderung verblüfft hatte, sie möchten doch bitte ihre Wirtschaft drosseln, denn mit ihren Exportüberschüssen schadeten sie den europäischen Nachbarn. Das hielt man diesseits des Rheins für einen schlechten Scherz und teilte das Paris auch umgehend mit. Worauf Madame Lagarde dem deutschen Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) versicherte, sie habe das deutsch-französische Verhältnis nicht belasten wollen.

Gestern war nun alles wieder "cordial" und "charmant". Sagte Lagarde, als Schäuble sie der Bundespressekonferenz vorstellte. Da sprach die Ministerin von der Ehre, die ihr gerade zuteil geworden sei, und dass es sie besonders beeindruckt habe, wie die deutschen Minister versuchten, die europäischen Positionen in ihren Diskussionen bereits zu berücksichtigen. "Das ist etwas, was wir in Frankreich nicht machen." Sie werde auch dem französischen Präsidenten berichten.

Die aparte 54-Jährige, die von sich behauptet, nur fünf Stunden Schlaf zu brauchen und deshalb schon im Büro sitzt, wenn die meisten ihrer Beamten noch frühstücken, ist seit knapp drei Jahren für Frankreichs Ökonomie und Finanzen zuständig. Entgegen allen Erwartungen hat sie sich auf diesem Schleudersitz nicht nur gehalten, sondern sich aus Sicht der Franzosen sogar für noch höhere Aufgaben empfohlen. In zwei Jahren stehen Präsidentschaftswahlen an, und Madame "La Gaffe" (die Ungeschickte), wie sie zu Anfang genannt wurde, hat inzwischen gelernt, den meisten Fettnäpfchen auszuweichen. Eine "Dummheit" wie die, ihren Landsleuten angesichts der hochschnellenden Benzinpreise kurzerhand das Fahrradfahren zu empfehlen, würde ihr heute nicht mehr passieren. Solche Fehler seien ihr unterlaufen, weil sie einfach gesagt habe, was sie gedacht habe. "Ohne das politische Vokabular zu beherrschen, ohne die Hintergedanken oder Interessen der anderen zu kennen."

Christine Madeleine Odette Lagarde, die mit ihren 1,80 Metern die meisten Menschen überragt und der man ihre lebenslange Begeisterung für die unterschiedlichsten Sportarten ansieht, ist erst im Sommer 2005 in die Politik übergewechselt, als Dominique de Villepin ihr den Posten der beigeordneten Ministerin für Außenhandel in seiner konservativ liberalen Regierung anbot. Damals gab die Juristin ihre Führungsposition in der weltweit agierenden Wirtschaftskanzlei Baker & McKenzie auf. Sie habe seinerzeit etwas für ihr Land tun wollen, sagte Lagarde später.

Als sie im Juni 2007 ins ehrwürdige Finanzministerium in Paris-Bercy umzog, hat Christine Lagarde in ihrem neuen Büro einen Teppich mit Zebramuster verlegen lassen. Die psychedelische Wirkung auf die Beamten ist inzwischen legendär: Im Büro dieser Ministerin wagt es niemand mehr, zu lange auf die eigenen Füße zu starren.